Bergbaukunde

[695] Bergbaukunde. Unter Bergbaukunde verstand man zur Zeit des Beginnes der bergmännischen Literatur (vgl. Bergbau, Geschichtliches) das gesamte für die technische Leitung der Bergbaubetriebe und Hütten erforderliche Wissen. In diesem Sinne behandelt Agricola in seinem 1556 zu Basel erschienenen Buche »De re metallica libri XII« den umfänglichen Stoff. Bei der Weiterentwicklung der Bergwerkswissenschaften wurden zunächst die Hüttenkunde, die Markscheidekunde und die Mineralogie als selbständige Wissenschaften abgezweigt, 1778 trennte A.G. Werner zu Freiberg in seinen Vorträgen die Gebirgslehre von der Bergbaukunde und nannte sie von 1786 an Geognosie. Außerdem wurden von der Hüttenkunde die Probierkunde und die chemische Technologie, von der Bergbaukunde die Bergmaschinenlehre und das Bergrecht, von der Geognosie weiter die Lagerstättenlehre entsprechend der steten Vertiefung des Wissens als selbständige Gebiete abgezweigt. Damit ist die heutige Einteilung der Bergwissenschaften (s. Bergakademie) in der Hauptsache gegeben.

Der Bergbaukunde verbleibt immer noch ein weites Gebiet, das gewöhnlich in folgende Abschnitte geteilt wird: 1. Formelle Lagerstättenlehre. Da die Lagerstätten den Gegenstand des Bergbaubetriebes bilden, so ist deren Vorkommen allgemein zu besprechen, vorbehaltlich der ausführlichen Behandlung des Gegenstandes in der Lagerstättenlehre (vgl. Brennstoffe, Erz, Erzlagerstätten, Ewige Teufe, Gang, Gangformation, Lagerstätten). 2. Untersuchung der Erdoberfläche auf das Vorkommen von Lagerstätten. Diese Arbeiten sind nicht nur in Gegenden wichtig, die der Kultur neu erschlossen werden, die Tiefbohrungen bilden auch in den alten Kulturländern ein wichtiges Mittel zur Aufsuchung von Lagerstätten in großen Tiefen (vgl. Aufdeckarbeit, Schürfen, Tiefbohren, Vorrichtung). 3. Die Gewinnungsarbeiten (s.d.), d.h. die nach der Gesteinsbeschaffenheit verschiedenen Arbeiten zum Loslösen der Mineralien aus dem natürlichen Zusammenhange (vgl. Bohr- und Sprengtechnik, Elektrizität im Bergbau, Feuersetzen, Gewinnung mittels Wasser, Hereintreibarbeit, Keilhauenarbeit). 4. Die Lehre von den Grubenbauen[695] (s.d.), das sind die unterirdischen Räume, die für die Zwecke des bergmännischen Betriebes hergestellt werden (vgl. Abbau, Bingenbau, Bruchbau, Duckelbau, Etagenbruchbau, Strossenbau, Tagebau, Tummelbau, Oerterbau, Pfeilerbau, Querbau, Schacht, Sinkwerksbau, Firstenbau, Stollen, Stoppelbau, Stoßbau, Strebbau, Strecken, Stockwerksbau, Weitungsbau, Zementation). 5. Der Grubenausbau (s.d.) behandelt die Hilfsmittel, die angewendet werden, um die Grubenbaue während der Zeit ihrer Benutzung in zweckentsprechendem Zustande zu erhalten (vgl. Grubenmauerung, Grubenzimmerung, Schachtabteufen). 6. Unter Förderung (s.d.) versteht man die Beförderung der gewonnenen Mineralien bis zur Verfrachtung und der benötigten Materialien bis zum Orte ihrer Verwendung (vgl. Bremsbergförderung, Fangvorrichtungen, Fördergestell, Förderschacht, Förderseile, Loskorb, Schachtförderung, Streckenförderung, Wipper). 7. Die Fahrung (s.d.) handelt von den Einrichtungen, die für die Fortbewegung der Menschen in den Grubenräumen geschaffen werden (vgl. Anfahren, Fahrschacht, Gestänge). 8. Die Wasserhaltung (s.d.) lehrt, wie die Grubenbaue frei von Wasser zu erhalten sind (vgl. Abteufpumpe, Kraftübertragung im Bergbau, Pumpen, Wasserhebung, Wasserlosung). 9. Die Wetterlehre (s. Wetter, Wetterwirtschaft) bespricht die Vorkehrungen, die zur Beschaffung der nötigen Luft – im Bergbau Wetter genannt – für die in der Grube arbeitende Mannschaft verfügbar sind, sowie diejenigen Erscheinungen und Einrichtungen, die hiermit in engster Beziehung flehen, so die Beleuchtung der Gruben (s. Geleucht), den Grubenbrand (s.d.) und die Atmungsapparate (s.d.). 10. Die Aufbereitung (s.d.), das ist die mechanische Verarbeitung der gewonnenen Rohstoffe zu verkäuflichen Produkten, wird zurzeit gewöhnlich von der Bergbaukunde im engeren Sinne getrennt (vgl. Bergeschlämme, Diamantwäscherei, Erzaufbereitung, Glockenmühle, Goldwäsche, Herdarbeit, Klärung der Waschwässer, Kohlenwäsche, Mühlen, Pochwerk, Setzarbeit, Siebvorrichtungen, Sortieren der Trübe, Steinkohlenaufbereitung, Stromapparate, Verladung, Walzenquetsche, Windseparation, Zwischentransport). 11. Der Grubenbetrieb (s.d.) behandelt die zweckentsprechende Einrichtung und Verwaltung eines Bergbaubetriebes (s.a. Bergrecht).


Literatur, die das ganze Gebiet der Bergbaukunde behandelt; die zahlreichen Werke über einzelne Abschnitte der Bergbaukunde sind bei den betreffenden Artikeln angeführt. – Lehrbücher: Köhler, G., Lehrbuch der Bergbaukunde, 6. Aufl., Leipzig 1903; Ders., Katechismus der Bergbaukunde, 3. Aufl., Leipzig 1903; Treptow, E., Grundzüge der Bergbaukunde, einschließlich der Aufbereitung, 3. Aufl., Leipzig und Wien 1903; Höfers Taschenbuch für Bergmänner, 2. Aufl., Leoben 1903. – Wörterbücher: Veith, H., Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen, Breslau 1870; Gätzschmann, M.F., Sammlung bergmännischer Ausdrücke, 2. Aufl., mit Hinzufügung der englischen und französischen Synonyme und englisch-deutschem und französisch-deutschem Wortregister durch A. Gurlt, Freiberg 1881; Dannenberg, J., und Frantz, W.A., Bergmännisches Wörterbuch, Leipzig 1882; Röhrig, E., Wörterbuch in englischer und deutscher Sprache für Berg- und Hüttentechnik und deren Hilfswissenschaften, 2 Teile, Leipzig 1881; Venator, M., Deutsch-spanisch-französisch-englisches Wörterbuch der Berg- und Hüttenkunde, sowie deren Hilfswissenschaften, Leipzig 1894. – Zeitschriften und Jahrbücher: Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuß. Staate, Berlin, seit 1853; Zeitung, berg- und hüttenmännische, herausgegeben von Köhler und Peters, früher Freiberg, jetzt Leipzig, seit 1841; Glückauf, Berg- und hüttenmännische Zeitung, Eilen, seit 1864; Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen, Freiberg, erscheint unter etwas abweichenden Titeln seit 1828; Jahrbuch, berg- und hüttenmännisches, der k. k. Bergakademien zu Leoben und Pribram und der k. ungarischen Bergakademie zu Schemnitz, Wien (unter verschiedenen Titeln seit 1841); Zeitschr., österreichische, für Berg- und Hüttenwesen, Wien, seit 1853. – Literaturverzeichnisse: Vierteljahresbericht, kritischer, über die berg- und hüttenmännische und verwandte Literatur, herausgegeben von der Cratz & Gerlachschen Buchhandlung (Joh. Stettner) in Freiberg, seit 1882. Außerdem bringen die obenerwähnte Preußische Zeitschrift und Glückauf Zusammenstellungen über den Inhalt der verwandten Zeitschriftenliteratur und Verzeichnisse, auch Besprechungen neu erschienener Werke.

Treptow.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 695-696.
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