Amortisation

[449] Amortisation (v. franz. amortir, ertöten, auslöschen, an die Tote Hand vermachen), ursprünglich Hingabe liegender oder beweglicher Güter an die Kirche, die im Mittelalter die Tote Hand hieß, weil sie ihr Vermögen festhielt, nicht mehr in den Verkehr brachte, so wie die Hand eines Toten das in sie Gelegte festhält. Die Kirche beanspruchte dazu für ihr Vermögen volle Steuerfreiheit (Immunität). Um nun dem Übermaß von steuerfreien Gütern in der Toten Hand zu begegnen, erließen die Staatsherrscher schon seit dem 14. Jahrh. Gesetze, wodurch die Zuwendungen von Gütern an die Tote Hand (s. d.) verboten oder von der staatlichen Genehmigung abhängig gemacht wurden (leges de non admortizando, Amortisationsgesetze). Sie beziehen sich entweder auf die unbeweglichen Güter (Immobiliar-) oder auf das bewegliche Vermögen (Mobiliar-Amortisationsgesetze) oder auf beide Arten des Vermögens. Oft ist der Immobiliarerwerb ohne vorherige staatliche Genehmigung schlechthin verboten, also nichtig, der Mobiliarerwerb aber bis zu einer gewissen Summe (summa pragmatica) erlaubt, deren Überschreitung wieder der staatlichen Genehmigung bedarf. Vgl. Kahl, Die deutschen Amortisationsgesetze (Tübing. 1879). Derartige Amortisationsgesetze bestehen zur Zeit in Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar, S.-Meiningen, S.-Altenburg, S.-Koburg-Gotha und Elsaß-Lothringen. Ähnliche Zwecke verfolgt das neue französische Vereins gesetz vom 29. März 1901. – A. von Urkunden, s. Aufgebotsverfahren.

Unter A. versteht man auch die allmähliche Abtragung einer Schuld. Werden z. B. statt 4 Proz. Zinsen alljährlich 5 Proz. als Zinsen einschließlich 1 Proz. Amortisationsquote entrichtet, so ist eine Schuld binnen 41 Jahren getilgt. Für den Schuldner wird durch die ratenweise Rückzahlung die Tilgung der Schuld nicht allein erleichtert, sondern oft überhaupt erst ermöglicht. Namentlich hat die A. hohe Bedeutung[449] für Wirtschaftszweige, die eines langen Kredits bedürfen, ohne rasch größere Kapitalien flüssig machen zu können, so insbes. für die Landwirtschaft zum Zwecke der Ablösung von Grundlasten, der Durchführung von Meliorationen etc. Dagegen kann die A. insofern für den Gläubiger nachteilig sein, als sie ihm sein Kapital in kleine Teile zersplittert und dadurch die Neigung fördert, vorhandenes Vermögen ganz oder z. T. zum Unterhalt aufzubrauchen. Doch wird diesem Übelstand vorgebeugt, wenn, wie bei Bodenkreditanstalten, viele kleine Amortisationsbeträge an einem Ort zusammenfließen, die als größere Summen wieder leicht verwendbar sind (z. B. zur Heimzahlung von Pfandbriefen). Bei öffentlichen Anleihen kommen regelmäßige Amortisationen auch in Form der Annuitäten (s. d.) vor. Zu unterscheiden hiervon ist diejenige allmähliche Tilgung einer Gesamtschuld, bei der jeweilig einzelne Schuldposten durch Heimzahlung ausgeloster Papiere, Aufkauf von Obligationen etc. beglichen werden. Hierbei erfolgt die Einlösung bisweilen zu einem höhern als dem Nennbetrag; den Überschuß des Einlösungskurses über den letztern nennt man Amortisationszuschlag (vgl. Staatsschulden). Die A. von Aktien (Heimzahlung ausgeloster Aktien aus dem Gesellschaftsvermögen), für die bisweilen aus aufgesammelten Reinerträgen und unerhobenen Zinsen und Dividenden ein eigner Amortisationsfonds gebildet wird, ist nur unter Beobachtung bestimmter gesetzlicher Vorschriften zulässig (vgl. Aktie und Aktiengesellschaft, S. 239). Die heimgezahlten Beträge werden im Amortisationskonto gebucht. Endlich wird das Wort A. auch im Sinne von Abschreibung (s. d.) gebraucht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 449-450.
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