Amurprovinz

[467] Amurprovinz (eigentlich Amur), Provinz des sibir. Generalgouvernements Amur (s. Karte »Sibirien«), zwischen Transbaikalien, Jakutsk, dem Küstengebiet und der chinesischen Mandschurei, 447,667 qkm groß mit (1897) 118,510 Einw., darunter 40,000 russische Ansiedler, 23,000 Kosaken, 25,000 Städtebewohner, 16,000 Mandschu, 6000 Arbeiter auf den Goldwäschen, 8000 Tungusen, 1000 Koreaner. Die Provinz wird im N. vom Jablonoi- und Stanowoigebirge begrenzt, in ihrer ganzen Breite von N. nach S. aber vom Burejagebirge durchzogen, das rechtwinkelig auf den die Südgrenze bildenden, zuflußreichen Amur (s. d.) stößt. Das gegensatzreiche Klima schwankt zwischen +40° und -40°. Der Wald zeigt eine weit reichere Zusammensetzung als sonst in Sibirien, die Zahl der jagdbaren Tiere, darunter der Tiger, ist sehr groß. Haupterzeugnisse sind Gerste, Roggen, Hafer, Weizen, Buchweizen, Kartoffeln, Pelzwerk, Fische (Störe, Lachse) in Menge, Gold aus den Goldwäschen an der Seja und Bureja, ferner Silber, Blei, Kupfer, Eisen, Steinkohle, Naphtha, die indes noch nicht ausgebeutet werden. Hauptstadt ist Blagowjeschtschensk.

Geschichte. Nachdem durch ein Zusammentreffen von Kosaken und Tschuktschen 1639 die erste Kunde von diesem Gebiet nach Rußland gedrungen war, ging 1643 eine Kosakenexpedition von Jakutsk zum Amur und befuhr diesen Fluß bis zur Mündung. Eine zweite Expedition unter Chabarow 1649 eroberte fast das ganze Land an beiden Ufern; doch wurden die Russen durch die von den Bewohnern zu Hilfe gerufenen Mandschu-Chinesen verdrängt, und durch den 1689 zu Nertschinsk zwischen China und Rußland geschlossenen Vertrag wurde Chinas alleinige Herrschaft in diesem Gebiet anerkannt. Da jedoch für die Entwickelung des asiatischen Rußland die Gewinnung des Stillen Ozeans sehr wichtig war, veranlaßte der Generalgouverneur Nikolai Murawjew 1849–53 die Erforschung der Tatarischen Meerenge; die Anlage der festen Grenzposten Nikolajewsk, Mariinsk und Alexandrowsk war die Folge, und 1854 befuhr Murawjews Dampfer Argun, begleitet von 50 Booten und zahlreichen Flößen mit 1000 Mann, den Amur bis Mariinsk. Schon 1855 kamen nach der Expedition des Generals Korsakow Ackerbauer an den Amur; 1856 wurden zwischen Nikolajewsk und Mariinsk Reichsbauern, 1857 zwischen Strjelka und Seja transbaikalische Kosaken angesiedelt. Am 27. Mai 1858 erhielt Rußland durch den Vertrag von Aigun, bestätigt 13. (1.) Juni zu Tiëntsin, das linke Ufer des Amur in seinem untern und mittlern Lauf, nach der Einmündung des Ussuri aber beide Ufer, und durch die zwischen Ignatiew und dem Prinzen Kung 1860 zu Peking getroffene Vereinbarung bekam es die ganze Fläche zwischen dem Ussurifluß und dem Tatarischen Meerbusen; 1861 folgte ein Handelsvertrag. Dies Gebiet wurde nun in die jetzige A. und die Küstenprovinz (beide dann Teile des Generalgouvernements Amur) eingeteilt; Generalgouverneur der A. zu Chaborowsk ist General N. J. Grodekow, bekannt aus der Geschichte des russischen Vordringens in der Mandschurei seit 1900. Vgl. Schrenck, Reisen und Forschungen im Amurgebiet 1854–1856 (Petersb. 1858–91); Atkinson, Travels in the region of the Amoor (Lond. 1860); Collins, Exploration of the Amoor river (2. Aufl., Washingt. 1864) und Voyage down the Amoor (New York 1866); Schmidt, v. Glehn und Brylkins, Reisen im Gebiet des Amurstroms (Petersb. 1868); Wenjukow, Die russisch-asiatischen Grenzlande (deutsch, Leipz. 1874); R. Andree, Das Amurgebiet (2. Aufl., das. 1876); Grum-Grschimajlo, Beschreibung der A. (russ., Petersb. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 467.
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