Bourbon [2]

[280] Bourbon (hierzu Textbeilage: »Die Verzweigungen des bourbonischen Hauses«), altes franz. Geschlecht, das sich nach dem Schloß B. (Castrum Borboniense, jetzt B.-l'Archambault, s. oben) in der Landschaft Bourbonnais nannte und in drei Häuser zerfällt. Die älteste Linie stammte von Adhémar, Sire von B., der um 910 lebte und seinen Ursprung von Hildebrand. einem jüngern Bruder Karl Martells, ableitete. Dies Haus starb 1218 mit Archambault VIII. aus, dessen Tochter und Erbin Mahaut von B. sich 1197 mit Guy von Dampierre vermählt hatte. Auf dessen Sohn Archambault IX. gingen der Name und Besitz der Bourbonen über. Dessen Enkelin Beatrix heiratete 1272 Robert von Clermont, jüngsten Sohn Ludwigs IX., und so erhielt ein jüngerer Zweig des capetingischen Königshauses den Namen und die Besitzungen des Hauses B. Roberts Sohn Ludwig I. folgte seiner Mutter 1310 in der Herrschaft B., die von König Karl IV. 1327 zum Herzogtum erhoben ward. Von Ludwig I. gingen zwei Linien aus:

Die ältere Linie, von dem ältern Sohn, Peter, abstammend, zählte als Glieder: Peter I., fiel in der Schlacht bei Poitiers 1356; Ludwig II., kämpfte gegen die Engländer und war Mitglied der Regentschaft für Karl VI., starb 1410; Johann I., starb, in der Schlacht bei Azincourt gefangen genommen, 1434 in England; Karl I., ließ sich in Verschwörungen gegen König Karl VII. ein, starb 1456; Johann II.,[280] schlug 1450 die Engländer bei Formigny, nahm an der Ligue du bien public teil und starb 1488 ohne Erben, weshalb ihm sein Bruder Karl II., Kardinal und Erzbischof von Laon, folgte; nach dessen Tode (1488) fielen die Würde und Besitztümer des Hauptzweigs an den jüngsten Bruder, Peter, Grafen von Beaujeu, den Vertrauten und Schwiegersohn König Ludwigs XI., der während Karls VIII. Minderjährigkeit einer der Regenten war und 1503 starb. Seine einzige Tochter und Erbin, Susanne, ward mit ihrem Vetter, dem Grafen Karl von Montpensier, später Connetable von B. (s. unten), vermählt, nach dessen Abfall von Frankreich die Besitzungen des Hauptzweiges eingezogen wurden. Mit seinem Tode 1527 erlosch die ältere Linie.

Die zweite, jüngere Linie ging aus von Ludwigs I. drittem Sohn, Jakob, Grafen de la Marche; dessen Urenkel Johann II. erwarb durch Heirat die Herrschaft La Roche-sur-Yon (später B.-Vendée). Johanns II. Sohn Karl (gest. 1537) ward zum Herzog von Vendôme ernannt und erbte 1527 nach dem Tode des Connetable dessen Besitzungen. Sein Sohn war Anton von B., Herzog von Vendôme, seit 1548 vermählt mit Jeanne d'Albret, und durch sie König von Navarra; er starb 1562. Sein nächstälterer Bruder, Ludwig, Prinz von Condé, begründete die Häuser Condé und Conti; der jungere hieß Karl, Kardinal von B., den die Katholiken 1589 als Karl X. zum König (s. unten: Bourbon 2) ausriefen. Antons Sohn aber, Heinrich IV., der nach Aussterben des Hauses Valois (1589) den französischen Thron bestieg, wurde Stammvater der Linien, die in Frankreich, Spanien, Neapel und Parma auf den Thron kamen (s. den beifolgenden Stammbaum).

Durch die Revolution 1792 gestürzt, wurden die Bourbonen in Frankreich (s.d., Geschichte) durch die Restauration 1814 und 1815 wieder auf den französischen Thron zurückgeführt, aber nur, um durch die Julirevolution 1830 endgültig beseitigt zu werden. Das Haupt der französischen Bourbonen wurde nach der Entsagung Karls X. und seines Sohnes Ludwig 2. Aug. 1830 Heinrich, Herzog von Bordeaux, Enkel Karls X., Sohn des Herzogs von Berri, geb. 29. Sept. 1820, der sich Graf von Chambord (s.d.) nannte. Da seine Ehe kinderlos war, erlosch mit seinem am 24. Aug. 1883 in Frohsdorf erfolgten Tode die Hauptlinie des Hauses B. Vgl. Nettement, Henri de France, ou histoire des Bourbons de la branche aînée, 1830–70 (Par. 1872).

Den spanischen Thron, auf den Ludw igs XIV. Enkel Philipp, Herzog von Anjou, als Ph ilipp V. durch den Frieden von Utrecht 1714 gelangt war, behaupteten die Bourbonen in direkter männlicher Linie bis zum Tode König Ferdinands VII. 1833. Ihm folgten nach älterm spanischen Erbrecht seine Tochter Isabella II. (1833–68) und deren Nachkommen. Infolge des Wiener Friedens 1738 war Philipps V. jüngerer Sohn, Don Carlos, als Karl III. König beider Sizilien geworden, überließ aber, als er 1759 seinem Bruder Ferdinand VI. auf dem spanischen Thron folgte, den von Neapel und Sizilien seinem dritten Sohne, Don Fernando, als Ferdinand IV. mit der Bestimmung, daß diese Krone nie wieder mit der spanischen vereinigt werden solle. Sie ging seinem Hause durch die Errichtung des Königreichs Italien verloren, als König Franz II. im September 1860 vertrieben wurde. Die Herzogtümer Parma und Piacenza waren 1731 an den oben erwähnten Don Carlos, jüngern Sohn Philipps V. von Spanien, gefallen; durch den Wiener Frieden (1738) an Österreich überlassen, wurden sie im Aachener Frieden (1748) an den Infanten Don Philipp, den jüngsten Sohn Philipps V. von Spanien, unter der Bedingung des Rückfalls derselben an Österreich, im Fall der Mannesstamm des Infanten erlöschen oder auf den Thron beider Sizilien oder Spaniens gelangen sollte, abgetreten. Beide Herzogtümer wurden nach Vertreibung des letzten bourbonischen Herzogs, Robert, 1859 mit dem Königreich Italien vereinigt. Vgl. La Mure (gest. um 1680), Histoire des ducs de B. (Lyon 1860 bis 1868, 3 Bde.); Achaintre, Histoire chronologique et généalogique de la maison royale de B. (Par. 1825, 2 Bde.); Dussieux, Généalogie de la maison de B. (2. Aufl., das. 1872); Bingham, The marriages of the Bourbons (Lond. 1889, 2 Bde.); Depeyre, Les ducs de B. (Par. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 280-281.
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