Feßler

[461] Feßler, 1) Ignaz Aurelius, Geistlicher und Freimaurer, geb. 18. Mai 1756 zu Zurndorf im Wieselburger Komitat, gest. 15. Dez. 1839 in St. Petersburg, trat 1773 in den Kapuzinerorden und empfing 1779 die Priesterweihe. Mit Mönchtum und Katholizismus innerlich zerfallen, erhielt er von Kaiser Joseph II. die Anstellung als Professor der orientalischen Sprachen und der alttestamentlichen Exegese an der Universität Lemberg. Hier trat er in den Freimaurerorden. 1787 mußte er sein Amt niederlegen, zog nach Breslau, trat 1791 zum Protestantismus über, heiratete und lebte seit 1796, literarisch beschäftigt, in Berlin. Im Auftrage der Loge Royal York bearbeitete er mit Fichte deren Statuten, schied aber 1802 aus dem Bund und wurde 1809 als Professor der orientalischen Sprachen und der Philosophie an die Alexander Newskij-Akademie in Petersburg berufen.[461] Des Kantianismus und Atheismus verdächtig, verlor er dieses Amt schon 1810, ward bald darauf Mitvorsteher einer Erziehungsanstalt zu Wolsk und 1815 in Sarepta, wo er mit Herrnhutern in Verbindung trat und wieder strenggläubig wurde. 1820 wurde er Superintendent und Konsistorialpräsident der evangelischen Gemeinden in Saratow, 1833 Generalsuperintendent und Kirchenrat der lutherischen Gemeinde in St. Petersburg. Sein bedeutendstes, in Saratow geschriebenes Werk ist die »Geschichte der Ungarn und deren Landsassen« (Leipz. 1812–25, 10 Bde.; 2. Aufl., hrsg. von E. Klein, das. 1867–1883, 5 Bde.). Außerdem schrieb er vielgelesene historische RomaneMark Aurel«, »Aristides und Themistokles«, »Attila« u. a.), manches über Freimaurerei und eine Selbstbiographie: »Rückblicke auf meine 70jährige Pilgerfahrt« (Bresl. 1826; 2. Aufl., Leipz. 1851), ergänzt durch die »Resultate meines Denkens und Erfahrens« (Bresl. 1825). Sein Leben beschrieb Abafi (Aigner) in den »Századok« 1878 (ungar.).

2) Joseph, Bischof von St. Pölten, geb. 2. Dez. 1813 in Lochau am Bodensee, gest. 25. April 1872, ward 1841 Dozent, später ordentlicher Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechts in Brixen und erwarb sich bald durch seinen Glaubenseifer großes Ansehen unter den Ultramontanen. 1852 als Professor der Kirchengeschichte nach Wien berufen, erhielt er hier den Auftrag, die Vorarbeiten zum Konkordat zu machen. Auf die gegen dieses gerichteten Angriffe antwortete er in mehreren Streitschriften. Nachdem er in Sachen des Konkordats als Unterhändler in Rom gewirkt hatte, wurde er nach seiner Rückkehr zum Bischof von St. Pölten ernannt. Beim vatikanischen Konzil 1870 fungierte er als Generalsekretär und verteidigte es später in der gegen Professor v. Schulte gerichteten Schrift »Die wahre und die falsche Unfehlbarkeit der Päpste« (Wien 1871). Von seinen Schriften sind die »Institutiones patrologicae« (Innsbr. 1850–52, 2 Bde., 2. Aufl. hrsg. von Jungmann, 1890–96) und die »Sammlung vermischter Schriften über Kirchengeschichte und Kirchenrecht« (Freiburg 1869) zu erwähnen. Vgl. Erdinger, Dr. Joseph F. (Brixen 1874).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 461-462.
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