Franz von Assisi [2]

[31] Franz von Assisi, der »seraphische Vater« (Pater seraphicus), Heiliger, Gründer des Ordens der Franziskaner, geb. 1182, gest. 3. Okt. 1226. Als Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Pietro Bernardone in Assisi geboren, von der Mutter Giovanni, vom Vater nach der Rückkehr von einer Reise in Frankreich Francesco genannt, zeigte der leicht empfängliche Knabe von Kindheit auf neben entschiedenem Hang zum Lebensgenuß viel Sinn für Mildtätigkeit. Infolge einer äußern und innern Krisis seines Lebens widmete er sich seit 1207 den Kranken und Aussätzigen, zerfiel wegen seiner verschwenderischen Wohltätigkeit mit dem Vater und erbettelte sich nunmehr das Geld, mit dem er in seiner Vaterstadt mehrere zerfallene Kapellen, vor allem das Kirchlein der Santa Maria degli Angeli (Portiuncula, genannt), wiederherstellte. Dieses wurde sein Lieblingsaufenthalt und der Sammelpunkt[31] der spätern Genossenschaft. Eine Predigt über Matth. 10 brachte ihn zum Bewußtsein seiner Mission, ein Leben in völliger Armut nach dem Vorbilde der Apostel zu führen und wie diese Buße predigend zu wandern. Schnell fand er Anhänger, zuerst Bernhard, Petrus, Ägidius, dann Leo, Ruffinus, Angelus, diese die »drei Genossen«, die später eine Legende über den Stifter verfaßt haben sollen, alle mit ihm auf Grund schlicht zusammengestellter Bibelworte (sogen. erste Regel 1209) in gleichem Geiste verbunden. Papst Innozenz III. gab dem darum Nachsuchenden (1209 oder 1210) in richtiger Erkenntnis der Bedeutung solchen Unternehmens für die Kirche die Bestätigung seines Vorhabens. Nun durchzogen die Büßer von Assisi (Poenitentes de Assisio) zuerst Italien, dann andre Länder. F. hat 1219 in Palästina vor dem Sultan El Kamel gepredigt. Der Umwandlung seiner Genossenschaft in einen fest gegliederten Orden (seit 1221; s. das Nähere unter Franziskaner) stand er mit Widerstreben gegenüber. In seinen letzten Lebensjahren hat er sich darum immer mehr auf sich selbst und den Verkehr mit seinem erhöhten Herrn zurückgezogen. Auf dem Alvernaberg im obern Arnotal erlebte er 1224 in einem Augenblick höchster Verzückung die Vision des gekreuzigten Seraphs, als deren sichtbares Andenken er sich seitdem die Wundmale Jesu eingedrückt wußte. In seinem »Testament« gab er noch einmal seinem Ideal, von dem die Wirklichkeit die Brüder immer mehr entfernte, Ausdruck. Er war heilig, bevor ihn Gregor IX. 1228 heilig sprach, das reinste Urbild katholischer Mystik, dem bei aller Versenkung in die Welt der Himmel das Auge nicht fehlte für diese Welt, deren Jammer er nicht in trübem Mißmut abzubüßen, sondern mit opferfreudigem Frohsinn zu verklären trachtete. Als Brüder und Schwestern hat er im »Sonnengesang« (Landes creaturarum) die ganze Schöpfung gepriesen, in deren Dienst er sich zum Lobe Gottes gestellt hatte. Sein Leben und seine Taten hat die Legende bald wunderbar übermalt und in immer verstärkter Nachahmung des Lebens Jesu ausgeschmückt. Doch enthalten die ältesten Darstellungen (die beiden Legenden des Thomas von Celano, das Speculum perfectionis, die Legenda trium Sociorum) ein wahres, freilich von begeisterten Augen geschautes Geschichtsbild. Vgl. Hase, Franz von Assisi (Leipz. 1856); Thode, F. und die Anfänge der Kunst der Renaissance in Italien (Berl. 1885; 2. Aufl. 1904); K. Müller, Die Anfänge des Minoritenordens (Freiburg 1885); P. Sabatier, Vie de S. François d'Assise (Par. 1893, 30. Aufl. 1904; deutsch von Lisco, 2. Aufl., Berl. 1897). In jüngster Zeit ist besonders infolge der Arbeiten Sabatiers die Forschung über F. in lebhafte Bewegung gekommen und vielfach neues Quellenmaterial zutage gefördert worden. Vgl. Sabatier: Speculum Perfectionis seu S. Francisci Assisiensis Legenda antiquissima (Par. 1898), Floretum S. Francisci Ass. (das. 1902), S. Francisci legendae fragmenta quaedam (das. 1902); Marcellino e Domenichelli, La Leggenda di San Francesco scritta da tre suoi compagni (Rom 1899; franz., Par. 1902). Einen guten kritischen Überblick gibt W. Götz in der »Zeitschrift für Kirchengeschichte« 1901–04. Neuerdings sind auch zwei kritische Ausgaben der literarischen Hinterlassenschaft des F. veranstaltet worden: L. Lemmens, »Opuscula sancti Patris Francisci Assisiensis« (Quaracchi 1904) und H. Boehmer, »Analekten zur Geschichte des Franciscus von Assisi« (Tübing. 1904). S. auch Franziskaner.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 31-32.
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