Grotĭus

[431] Grotĭus, Hugo, eigentlich de Groot, namhafter holländ. Gelehrter und Staatsmann, geb. 10. April 1583 in Delft, gest. 28. Ang. 1645 in Rostock, widmete sich schon seit seinem elften Jahr in Leiden den Rechts- und Altertumswissenschaften und begleitete 1598 den Ratspensionär Oldenbarneveldt auf seiner Gesandtschaftsreise nach Frankreich, wo ihn Heinrich IV. mit seinem Bildnis an goldener Kette beschenkte. In Orléans zum Doktor der Rechte befördert, ließ sich G. im Haag als Advokat nieder und wurde 1607 Generalfiskal, 1613 Pensionär von Rotterdam. In dem Streite zwischen den Gomaristen und Arminianern (s. d.) stand er als Anhänger Oldenbarneveldts auf seiten der letztern, deren Sache er durch Flugschriften unterstützte, wurde deshalb mit jenem verhaftet und, während Oldenbarneveldt 1619 enthauptet wurde, zu lebenslänglicher Gefangenschaft auf Schloß Loevestein verurteilt. Seine Gemahlin, Maria v. Reigersberg, befreite ihn endlich aus dem Kerker, indem sie sich in einer Bücherkiste ins Gefängnis bringen ließ, mit ihm die Kleider wechselte und im Gefängnis blieb, während er in der Kiste verborgen hinausgebracht wurde (1621). G. floh nach Frankreich, wo ihm Ludwig XIII. eine Pension von 3000 Livres bewilligte, die er jedoch durch Richelieu wieder[431] verlor. Als nach dem Tode des Prinzen Moritz Prinz Friedrich Heinrich von Oranien Statthalter in den Niederlanden wurde, beschloß G. 1631, in sein Vaterland zurückzukehren, sah sich hier aber bald neuen Verfolgungen seiner Feinde preisgegeben, die 1632 seine ewige Verbannung zu bewirken wußten. Er wendete sich zunächst nach Hamburg, wo ihn der schwedische Kanzler Oxenstierna bewog, 1634 in die Dienste Schwedens zu treten. Er wurde Staatsrat und Gesandter am französischen Hof, in welcher Eigenschaft er 1635–45, anfangs mit geringem Erfolg, wirkte. In dem zuletzt genannten Jahre nahm er seine Entlassung und gedachte von Stockholm nach Holland zurückzukehren, wurde indessen durch einen Sturm nach Rostock verschlagen, wo er starb. 1886 wurde ihm in Delft ein Kolossalstandbild errichtet. G. war ein gründlicher Theolog, ausgezeichneter Humanist, scharfsinniger Philosoph und Jurist und ein mit kritischem Geist begabter Historiker. Seine metrischen Übersetzungen aus dem Griechischen zeugen von großem dichterischen Genius. Er war einer der besten neuern lateinischen Dichter und versuchte sich auch in holländischen Versen. Mit großer Gelehrsamkeit und seltenen Talenten verband er Bescheidenheit, Frömmigkeit, Milde und Freimütigkeit und zugleich die Gaben des gewandtesten Staatsmannes. Seine zahlreichen Schriften haben auf die Verbreitung einer aufgeklärten Denkart großen Einfluß geübt. Seine theologischen Schriften erschienen als »Opera theologica« (Amsterd. 1679, 4 Bde.), unter denen seine Schrift »De veritate religionis christianae« (Leid. 1627 u. ö.; beste Ausgabe von J. C. Köcher, Halle 1740; deutsch von Hohl, Chemn. 1768; auch in viele andre Sprachen übersetzt) die beste Apologie des Christentums aus neuerer Zeit ist. Sein Hauptwerk ist »De jure belli ac pacis« (Par. 1625 u. ö., Amsterd. 1720, 1735; mit Noten von H. Cocceji, Bresl. 1745–1752, 4 Bde.; von Hamaker, Haag 1869; deutsch von v. Kirchmann, Berl. 1869–70, 2 Bde.), durch das er den Grund zu der neuern Wissenschaft des Völkerrechts legte. Biographien gaben unter andern Luden (Berl. 1806), Butler (Lond. 1827), de Vries (Amsterd. 1827); Caumont, Étude sur la vie et les travaux de G. (Par. 1862); Hély, Étude sur le Droit de la guerre de G. (das. 1875); Neumann, Hugo G. (Berl. 1884). Vgl. auch Hartenstein, Darstellung der Rechtsphilosophie des Hugo G. (Leipz. 1850). – Sein zweiter Sohn, Pieter de Groot, geb. 28. März 1615, gest. 2. Juni 1678, auch als Dichter bekannt, war ein hervorragendes Mitglied der aristokratischen Partei und Freund Johann de Witts. Er war von 1660–67 Pensionär von Amsterdam, dann Gesandter in Stockholm und Paris, wurde 1672 bei der französischen Invasion des Verrats beschuldigt und mußte nach Belgien flüchten, von wo er erst 1674 nach Holland zurückkehrte.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 431-432.
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