Gruppe [1]

[468] Gruppe, in der bildenden Kunst eine Zusammenstellung mehrerer Gegenstände in der Art, daß sie das Auge auf einmal umfaßt, oder (nach Mengs) eine symmetrische Vereinigung mehrerer Figuren, die unter sich (zu einem Ganzen, d. h. zu einer Hauptvorstellung) verbunden sein müssen. Bei der Komposition einer G. ist darauf zu achten, daß die Hauptfigur als solche charakterisiert und nicht durch den Ausdruck oder die künstlerische Behandlung einer Nebenfigur in ihrer Wirkung beeinträchtigt wird. Hinsichtlich der Gruppierung, d. h. der Anordnung der einzelnen Teile zum Ganzen oder der Verbindung des Mannigfaltigen zur entsprechenden Einheit, unterschied die frühere Kunstlehre drei Musterformen: die der Weintraube, der Pyramide und des Kegels, je nachdem sie in der äußersten Umgrenzung dem einen oder andern dieser Gegenstände ähnlich sieht. Doch sieht die moderne Kunst von solchen äußerlichen Vorschriften ab und bildet die Gruppen nach Grundsätzen innerer Entwickelung und mit Rücksicht auf die beabsichtigte Wirkung. Im engern Sinne heißt G. jedes plastische Werk, das aus zwei oder mehreren Figuren besteht. Klassische Beispiele für die Pyramidenform der G. bieten die Gruppen des Laokoon und des Farnesischen Stieres (s. Tafel »Bildhauerkunst III«, Fig. 11 u. 14). Auch die Vereinigung mehrerer Figuren in einem Tempelgiebel nennt man G. Wie sehr die moderne Plastik von den akademischen Regeln des Gruppenumrisses abweicht, zeigen die Gruppen von Begas und Carpeaux (Tafel XVII, Fig. 11 u. 15) und die von Frémiet, Barbella, Brütt, Sinding (Tafel XVIII, Fig. 1, 3, 10 u. 11), L. Cauer (Tafel XIX, Fig. 5) und Lagae (Tafel XX, Fig. 3). Noch weiter sind andre moderne, besonders französische und belgische Bildhauer gegangen, die ihre Virtuosität darin suchen, die flüchtigsten Momente, die schnellsten und kühnsten Bewegungen von Läufern, Ringern u. dgl. m. in statuarischen Gruppen festzuhalten. – In der Geologie bezeichnet man mit G. nach der von dem internationalen Geologenkongreß adoptierten Nomenklatur eine Mehrheit von Formationen; so unterscheidet man die vier Formationsgruppen: archäische, paläozoische, mesozoische und neozoische. Früher wurde G. auch zur Bezeichnung von Unterabteilungen von Formationen verwendet, für die man jetzt »Abteilung«, »Stockwerk« (»Serie«) oder »Stufe« gebraucht. Vgl. Geologische Formation. – Im parlamentarischen Leben ist G. Bezeichnung für eine kleinere Zahl von Parteigenossen im Gegensatz zu der größern »Fraktion« mit einer vollständigen Parteiorganisation. Gewöhnlich lehnt sich eine solche parlamentarische G. an eine größere Partei an, wie früher im deutschen Reichstag die G. »Löwe«, die G. »Schauß-Volk«, gegenwärtig die G. der deutschen Volkspartei. – Militärisch ist G. Teil einer Schützenlinie, aus 8–12 Schützen bestehend, der Sektion einer geschlossenen Abteilung entsprechend. Gruppenführer, Führer einer G., Unteroffizier oder Gefreiter. Gruppenschießen, Übung einer G. im gefechtsmäßigen Schießen, bei der Artillerie die Abgabe einer Anzahl Schüsse mit gleicher Erhöhung. – Festungsgruppe, s. d., Batteriegruppe, s. Festungskrieg, S. 483.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 468.
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