Illuminaten

[759] Illuminaten (lat., »Erleuchtete«), Schwärmer, die sich einer höhern Erkenntnis Gottes und eines engen Verkehrs mit der Geisterwelt rühmten und vielfach Vereine bildeten. Dergleichen waren die Alombrados in Spanien, die Guérients in Frankreich, die 1623 auftauchten, aber schon 1635 wieder unterdrückt wurden, ferner ein Verein von Mystikern in Belgien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. Zu großer Bedeutung und belangreicher Ausbreitung, zunächst in Bayern, dann aber von Süddeutschland aus auch im mittlern und nördlichen Deutschland gelangte der am 1. Mai 1776 in Ingolstadt gegründete Illuminatenorden, dessen Mitglieder sich zunächst den Namen Perfektibilisten beilegten. Der Stifter dieses Ordens war Adam Weishaupt (s. d.), Professor der Rechte in Ingolstadt, der einer freiern Geistesrichtung huldigte und ein heftiger Gegner der Jesuiten war. Der Orden sollte durch Beförderung religiöser Aufklärung der Vernunft zur Herrschaft verhelfen, der Propaganda weltbürgerlicher Gesinnung dienen und das monarchische Prinzip bekämpfen. Dabei nahm sich der ehemalige Jesuitenzögling die Verfassung und geschmeidige Glätte der Jesuiten zum Vorbild und machte den Mitgliedern der Gesellschaft unbedingten Gehorsam gegen die Obern, besonders den Ordensgeneral, eifriges Bemühen, einflußreiche Männer für den Orden zu gewinnen, regelmäßige Berichte über ihre Fortschritte und gegenseitige Überwachung zur Pflicht. Zur praktischen Anwendung scheinen im Orden nur die drei niedern Grade gelangt zu sein, während die höhern Stufen nur theoretisch ausgesonnen waren. Die Mitglieder führten fremde, mit Vorliebe klassische Namen. Der Orden war ein über das Freimaurertum hinausgehender Geheimbund; jeder Illuminat war Freimaurer, während die für höhere Erleuchtung nicht tauglich Befundenen im Freimaurerbunde zurückgehalten wurden. Eine Neubelebung und starke Ausbreitung in protestantischen Gegenden erfuhr der Orden durch die Tätigkeit des Freiherrn v. Knigge (s. d.). Als Mitglieder sind nachgewiesen Herzog Ernst II. von Gotha und sein Bruder August, Herzog Ferdinand von Braunschweig, Karl Theodor von Dalberg, Karl August von Hardenberg und der nachmalige bayrische Minister von Montgelas; nach Perthes (»Das deutsche Staatsleben vor der Revolution«, S. 262) sollen auch Goethe und Herder Mitglieder gewesen sein. Wie mit andern Ordensmitgliedern geriet Weishaupt auch mit Knigge in persönliche Differenzen, und letzterer schied wenige Tage, nachdem in Bayern eine kurfürstliche Verordnung alle geheimen Gesellschaften verboten hatte, durch Vertrag aus dem Orden aus. Kurfürst Karl Theodor ließ der Verordnung vom 22. Juni 1784 einen verschärften Erlaß vom 2. März 1785 und andre mehr folgen. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen hat sich der Orden in der Neuzeit reorganisiert; sein Sitz ist in Dresden, er besitzt Rechtsfähigkeit und wird durch ein Kustosamt vertreten. Vgl. außer den bezüglichen Schriften von Weishaupt (s. d.). Prantl in Bluntschlis »Deutschem Staatswörterbuch«; Kluckhohn, Vorträge und Aufsätze (Münch. 1894) und in Herzogs »Real-Enzyklopädie für protest. Theologie und Kirche«; Wolfram, Die I. in Bayern und ihre Verfolgung (Erlang. 1899–1900, 2 Tle.); Schuster, Die geheimen Gesellschaften, Verbindungen und Orden (Leipz. 1903), auch das »Allgemeine Handbuch der Freimaurerei« (das. 1900, 2 Bde.) und die Schriften von Findel (s. d.) über Freimaurerei. Eine Geschichte des Illuminatenordens von seiner Gründung bis zur Gegenwart, herausgegeben von dem neuen Orden, erscheint 1905 in Dresden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 759.
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