Ismaïl Pascha

[56] Ismaïl Pascha, 1) Vizekönig von Ägypten, geb. 31. Dez. 1830 in Kairo, gest. 2. März 1895 in Konstantinopel, zweiter Sohn Ibrahim Paschas, ward mit seinem ältesten Bruder, Ahmed, in Paris erzogen. 1849 nach dem Tode seines Vaters nach Ägypten zurückgekehrt, trat er in Opposition zu der reaktionären Regierung Abbas Paschas (gest. 1854), ward dagegen von seinem Oheim Said Pascha 1855 in den Staatsrat berufen und 1861 bei einer längern Abwesenheit Saïds mit der Stellvertretung beauftragt. Als Saïd Pascha 18. Jan. 1863 starb, folgte ihm I. in der Regierung und bekannte sich bald zu dessen freisinnigen Grundsätzen. Obwohl er das Volk mit Steuern und Fronden hart bedrückte, um die Summen aufzubringen, die sein Hof und seine großen Rüstungen verschlangen, so erwarb er sich doch auch bedeutende Verdienste um das Land. Er führte die Baumwollkultur in Ägypten ein; namentlich aber setzte er die Vollendung des Suezkanals gegen die von England angestifteten türkischen Ränke durch (16. Nov. 1869). Auch berief er 1863 eine ägyptische Notabelnversammlung, um über innere Reformen zu beraten. Am 21. Mai 1866 erhielt er die Zustimmung der Pforte zur Regelung der Erbfolge in direkter Linie, 5. Juni 1867, als die Türkei wegen des kretischen Aufstandes seines Beistandes bedurfte, den Titel ChediveVizekönig«) und bedeutende Zugeständnisse für die Selbständigkeit der Verwaltung Ägyptens. Als er aber, durch Napoleons III. Gunst ermutigt, ein starkes Heer nach europäischem Muster bildete, eine Panzerflotte anschaffte, 1869 eine Reise an die europäischen Höfe antrat, über die Neutralisierung des Suezkanals und die Aufhebung der Konsulargerichtsbarkeit selbständige Verhandlungen mit den Mächten anknüpfte, schritt die Pforte ein, und I. mußte sich im Dezember 1869 unterwerfen und im März 1870 seine Panzerschiffe ausliefern. Durch wiederholte Besuche in Konstantinopel (im Juli 1870, 1872, 1873) und reichliche Geldgeschenke an den Sultan und die vornehmsten Beamten erlangte er einen neuen Ferman vom 8. Juni 1873, der ihm zwar einen jährlichen Tribut von 3 Mill. Mk. und die Heeresfolge im Kriegsfall auferlegte, dafür aber höhern Rang und Unabhängigkeit verbürgte. Kriegerische Unternehmungen (Bakers und Sobehrs) führten 1874 zur Eroberung von Dar Für, während die gegen Abessinien (1875 und 1876) völlig scheiterten. Schließlich aber wuchsen die Schulden Ägyptens so an, daß I. 1878 nicht mehr imstande war, die Zinsen zu bezahlen, und als er sich 18. Febr. 1879 der europäischen Kontrolle seiner Finanzen entziehen wollte, wurde er auf Antrieb der Westmächte 26. Juni vom Sultan zur Abdankung gezwungen, worauf sein Sohn Tewfik Chedive wurde. I. begab sich zunächst nach Neapel[56] und später nach Konstantinopel, wo er den Palast von Emirghian am Bosporus bewohnte.

2) Türk. General, s. Kmety.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 56-57.
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