Konterbande

[438] Konterbande (franz.), abzuleiten von dem spätlateinischen contra bandum oder bannum (»gegen das Verbot«), im Zollwesen die Ein- oder Ausfuhr von Waren entgegen den bestehenden Zollgesetzen und unter Umgehung der letztern; auch Bezeichnung für die verbotene Erzeugung, den Vertrieb oder Handel oder die Aufbewahrung von Monopol- oder verbotenen Waren oder Gegenständen und endlich für diese Waren selbst. In der Zollgesetzgebung wird indessen zwischen Zolldefraudation (Hinterziehung der Zölle) und K. noch ein besonderer Unterschied gemacht, indem man den Ausdruck K. auf die Ein-, Aus- oder Durchfuhr solcher Gegenstände beschränkt, die einem Ein-, Aus- oder Durchfuhr verbot unterliegen. Das deutsche Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 (§ 134) bestraft die K. in diesem engern Sinne mit einer Geldstrafe, die dem doppelten Werte der betreffenden Gegenstände- und, wenn dieser nicht 30 Mk. beträgt, dieser Summe gleichkommen soll. Außerdem tritt Konfiskation der Gegenstände ein, in bezug auf welche das Vergehen verübt worden ist. Im Völkerrecht versteht man unter K. (Kriegskonterbande) die Zufuhr unmittelbarer oder mittelbarer Kriegsbedürfnisse, und zwar zur See, an eine kriegführende Macht zum Nachteil des Gegners der letztern, auch diese Kriegsbedürfnisse selbst. Welche Gegenstände unter den Begriff K. fallen, ist überaus strittig. Fast jeder Völkerrechtslehrer hat sein eignes System, das aber mehr oder minder immer wieder zurückkommt auf die von Grotius aufgestellte Einteilung in absolute und relative K. (s. unten). So hat auch das Institut für Völkerrecht auf seinen Versammlungen zu Venedig 1896 und zu Kopenhagen 1897 zur Festlegung des Begriffes K. Beschlüsse gefaßt. Am klarsten und ehrlichsten hat im deutschen Reichstag (19. Jan. 1901) der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes die Rechtslage dadurch gekennzeichnet, daß er erklärte: begriffsmäßig werden unter K. nur für den Krieg geeignete und zugleich für eine der Kriegsparteien bestimmte Waren und Personen zu verstehen sein. Welche Arten hiernach unter den Begriff fallen können, ist streitig und wird, abgesehen etwa von Kriegswaffen und Kriegsmunition (sogen. absolute K.), sich in der Regel nur unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles entscheiden lassen, es sei denn, daß die kriegführende Macht ausdrücklich die Gegenstände, die sie als K. zu behandeln beabsichtigt (sogen. relative K.), den Neutralen in gültiger Form bekannt gegeben und von diesen keinen Widerspruch erfahren hat. So haben im russisch-japanischen Kriege Rußland unterm 15. Febr. 1904 (alten Stiles) und Japan unterm 10. Febr. 1904 die Grundsätze veröffentlicht, die in diesem Kriege von ihnen bezüglich der K. angewendet werden. Einen energischen Widerspruch seitens Englands erfuhr insonderheit die Erklärung Rußlands, daß es Kohlen unter K. rechnen werde. Dagegen hat England selbst im südafrikanischen Krieg (1899–1902) Lebensmittel als K. behandelt. Was die einzelnen Staaten während des Krieges als K. erklärten und erklären, findet sich stets verzeichnet in der »Revue générale de Droit international public«, die von Pillet u. Fauchille in Paris herausgegeben wird. Die Zufuhr von Kriegskonterbande gilt als Verletzung der Neutralität und berechtigt die kriegführende Macht, die sich dadurch geschädigt sieht, zur Wegnahme der K. (s. Frei Schiff, frei Gut). Die K. unterliegt aber der Wegnahme nur, wenn sie während der Beförderung ergriffen wird. Das Schiff ist also frei, sobald es die Ladung gelöscht hat; nachher darf es nicht mehr aufgegriffen werden. Weggenommen darf die K. nur werden, wenn der wirkliche Bestimmungsort, nach dem das Schiff die Ware zu bringen hat, ein Ort des Kriegsgegners ist. Also darf K. nicht weggenommen werden, wenn die Ware von jenem Bestimmungsort des Schiffes erst weiter zum Gegner gebracht wird, sei es zu Land oder zur See. Es ist Wegnahme also nicht erlaubt, wenn die Ware in einem neutralen Hafen gelöscht und von dort aus weiter gebracht werden soll, Doch ist auch die gegenteilige Ansicht vertreten. Das Verfahren der Wegnahme ist folgendes: Das in begründeter Weise als verdächtig anzusehende Schiff wird durch blinde Schüsse angehalten (nur ein Kriegs- oder Kaperschiff ist hierzu berechtigt, und nur auf »offenem Meer« [s. d.] und in den Territorialgewässern der Kriegführenden kann es geschehen) und dann daraufhin durch eine Abordnung untersucht, ob es K. führt. Zu dem Zwecke kann Löschen im nächsten Hafen des Wegnehmenden verlangt werden. Steht das Führen von K. fest, so wird das Schiff mit Beschlag belegt. Widerstand des Schiffes berechtigt, das Schiff in den Grund zu bohren, ebenso ist dies berechtigt, wenn die Beschlagnahme und Wegführung des Schiffes den Kreuzer selbst in Gefahr bringt. Strittig ist, ob das aufgebrachte Schiff versenkt werden darf, falls es zuwenig Kohlen an Bord hat, um die Fahrt nach dem Prisenhafen antreten zu können. Rußland hat bekanntlich im russisch-japanischen Kriege den englischen Dampfer Knight Commander und den deutschen Dampfer Thea aus diesem Grunde versenkt, was es nach seinem Prisenreglement von 1869 zweifelsohne kann. Allein die russische Auffassung geht zu weit. Vernichtet werden kann in einem solchen Falle höchstens die feindliche Prise, nicht aber die neutrale Prise. Japan hat dagegen keines der Schiffe, die es mit K. betroffen, in den Grund gebohrt, sondern sie als Kohlenschiffe für seine Flotte benutzt. Die Berechtigung der Beschlagnahme wird durch ein Prisengericht festgestellt. Damit verfällt die K. ohne Wertersatz, das Schiff nur, wenn sein Eigentümer mitschuldig ist. Erweist sich die Aufbringung als ungerechtfertigt, so ist Schiff und Ladung unverzüglich freizugeben und voller Schadenersatz zu leisten. Handelsschiffe, die von einem neutralen Kriegsschiff begleitet sind, dürfen (was England allerdings nicht anerkennt) nicht weggenommen werden, wenn der Befehlshaber des Kriegsschiffes erklärt, das Handelsschiff führe keine K. Auch findet neutralen Handelsschiffen gegenüber, die nicht im Geleit (Convoi) von Kriegsschiffen der neutralen Macht segeln, das Durchsuchungsrecht (s. d.) mit Rücksicht auf etwaige K. statt. – Unter Quasikonterbande versteht man die Beförderung von Kriegsmannschaften, Briefen oder Depeschen durch neutrale Schiffe. Ergänzend tritt die Strafdrohung des § 297 des Strafgesetzbuches hinzu. Nach ihm wird der Reisende oder Schiffsmann, der ohne Vorwissen des Schiffers, ingleichen der Schiffer, der ohne Vorwissen des Reeders Gegenstände an Bord nimmt, die das Schiff oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlagnahme oder Einziehung des Schiffes oder der Ladung veranlassen können, mit Geldstrafe bis 1500 Mk. oder Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft.[438] Vgl. außer den Lehrbüchern des Völkerrechts: Perels, Das internationale Seerecht der Gegenwart (2. Aufl., S. 234 ff., Berl. 1903); Wiegner, Die Kriegskonterbande in der Völkerrechtswissenschaft und der Staatenpraxis (das. 1904); Kleen, Le droit de la contrebande de guerre (Par. 1893); Takahashi, Cases on international law during the chino-japanese war (Lond. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 438-439.
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