Maury [1]

[468] Maury, 1) (spr. mori) Jean Siffrein, ausgezeichneter franz. Redner, geb. 26. Juni 1746 zu Valréas in der Grafschaft Venaissin, gest. 11. Mai 1817, Sohn eines Schuhmachers, trat in den geistlichen Stand und kam in seinem 20. Jahre nach Paris, wo er als Lehrer wirkte und als Kanzelredner sowie besonders durch seine LobredenEloge funèbre du Dauphin«, »Eloge de Stanislas« [1766] und »Eloge de Charles V« u. a.) Ansehen und Gunst gewann. Der König ernannte ihn zum Abt von Frénade und Prior von Lions. 1785 ward er auch Mitglied der Akademie, und 1789 sandte ihn der Klerus von Lions in die Nationalversammlung. Mit seltenen Kenntnissen ausgerüstet, ein kecker und geistvoller Redner, freilich auch durchaus frivol und sittenlos, wurde er hier der Führer der monarchisch-feudalen Rechten. 1791 ging er nach Auflösung der Konstituierenden Versammlung nach Rom, wo er vom Papste zum Erzbischof von Nicäa in partibus sowie 1794 zum Kardinal ernannt wurde. 1799 wurde er von Ludwig XVIII. zu seinem Gesandten am römischen Hof ernannt. Der Wunsch, in sein Vaterland zurückkehren zu dürfen, verleitete ihn, 1804 einen so schmeichlerischen Brief an den Kaiser Napoleon I. zu richten, daß ihn dieser zurückrief und 1810 zum Erzbischof von Paris ernannte. Da der Papst diese Ernennung nicht bestätigt hatte, mußte M. nach der Restauration seinen Sitz aufgeben. Er begab sich nach Rom, wurde aber hier gefangen genommen und erhielt seine Freilassung sechs Monate später nur gegen die Verzichtleistung auf seine geistlichen Würden. Sein Hauptwerk ist der »Essai sur l'éloquence de la chaire« (Par. 1810, 2 Bde.; neue Ausg. 1842, 2 Bde., u. 1850 in 1 Bd.). Seine »Œuvres choisies« (Par. 1827, 5 Bde.) enthalten auch seine Reden in der Nationalversammlung. Sein Leben beschrieben sein Neffe L. S. Maury (Par. 1827), Poujoulat (2. Aufl., das. 1859), Hergenröther (Würzb. 1878) und Ricard (Par. 1887). Letzterer gab auch die »Correspondance diplomatique et mémoires inéditsu cad rdinal M.« heraus (Lille 1891, 2 Bde.).

2) Louis Ferdinand Alfred, Altertumsforscher und Kulturhistoriker, geb. 23. März 1817 in Meaux, gest. 12. Febr. 1892 in Paris, erhielt 1840 eine Anstellung an der königlichen Bibliothek in Paris, ward 1844 Unterbibliothekar des Instituts, 1857 selbst Mitglied desselben, 1860 Bibliothekar der Tuilerien, 1862 Professor der Geschichte und Moral am Collège de France und 1868 Generaldirektor der Archive. Er schrieb: »Essai sur les légendes pieuses du moyenâge« (1843) und »Les fées du moyen-âge« (1843), beide in neuer Ausgabe u. d. T.: »Croyances et légendes du moyen-âge« (1863, wiederholt 1896); »Histoire des grandes forêts de la Gaule« (1850); »La terre et l'homme« (1856, 5. Aufl. 1891); »La magie et l'astrologie dans l'antiquité et an moyenâge« (1860, 4. Aufl. 1877); »Histoire des religions de la Grèce antique« (1857–60, 3 Bde.); »Le sommeil et les rêves« (1861, 4. Aufl. 1877); »Croyances et légendes de l'antiquité« (1862, 2. Aufl. 1865); »Les forêts de la Gaule et de l'ancienne France« (1867); »Rapport sur les progrès de l'archéologieen France« (1867). Auch setzte er das »Musée de sculpture« von Clarac fort und beteiligte sich an den »Religions de l'antiquité« von Gugniant und andern Sammelwerken.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 468.
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