Perspektīve

[625] Perspektīve (v. lat. perspicěre, »deutlich sehen«), die Kunst, Gegenstände so abzubilden, wie sie dem Auge des Beobachters von einem bestimmten Punkt aus erscheinen. Sie zerfällt in zwei Teile, die mathematische oder Linear- (Linien-) perspektive und die Luftperspektive. Erstere lehrt die einzelnen Punkte und Linien der Objekte an der richtigen Stelle auf der Bildfläche darstellen und bildet die praktische Anwendung der Zentralprojektion (s. Projektion); letztere dagegen handelt von der größern oder geringern Deutlichkeit, die den Umrissen der Objekte nach ihrer Entfernung zukommt, von den Änderungen, welche die Farben mit der Entfernung durch Absorption des Lichtes in der Atmosphäre erleiden, u. dgl. Wesentliche Förderer der Perspektive waren die Florentiner Brunellesco und Paolo Ucello (1397–1475), der Maler Dürer und der Mathematiker Lambert durch seine »Freye P.« (2. Aufl., Zürich 1794). Mit dem Namen Parallelperspektive bezeichnet man auch die Axonometrie und die schiefe Parallelprojektion (s. Projektion), zu der unter andern die sogen. Militär- und Kavalierperspektive gehört, bei der die Projektionsstrahlen die Bildfläche unter 45° treffen. Reliefperspektive, s. Projektion. Die P. ist eine der Hilfswissenschaften der Architektur und Malerei. Zur Herstellung perspektivisch richtiger Zeichnungen benutzt man Perspektivlineale (Fluchtpunktschienen), die dazu dienen, einen unzugänglichen Flucht- oder Verschwindepunkt, d.h. einen Punkt, in dem sich die perspektivischen Bilder paralleler Geraden vereinigen, zu ersetzen. Abbildungen und Erläuterungen s. »Zeitschrift für Instrumentenkunde«, 1883 (Cranz), »Deutsche Bauzeitung«, 1885 (Schupmann), und die Lehrbücher von Thibault, Schreiber, Streckfuß. 1884 wurden drei perspektivische Apparate bekannt, mittels deren man perspektivische Bilder nach geometrischen Darstellungen entweder nach zwei Ansichten oder nach einem Grundriß und einer Ansicht zeichnen kann. Der Rittersche Perspektograph (vgl. »Deutsche Bau zeitung«, »Zentralblatt der Bauverwaltung«, 1884, und Ritter, Der Perspektograph, Frankf. 1884) und das Instrument von Brix (Patentschrift Nr. 27,646 D. R.-P.) zerlegen die Darstellungen z. B. eines Bauwerkes in parallele Ebenen (Schnitte), die einzeln in P. gezeichnet werden, und an die dann die Begrenzungen zu ziehen sind. Sehr einfach ist der Prospektograph von Stühler (verfertigt von Herrmannstörfer in Nürnberg). Das weitergehende Universalinstrument von HauckJournal für die reine und angewandte Mathematik«, Bd. 95) liefert durch Umfahren zweier geometrischer Figuren direkt das perspektivische Bild. Eine wesentliche Verbesserung desselben lieferte Brauer (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1891). Vgl. die Lehrbücher der P. von Streckfuß (2. Aufl., Bresl. 1874), Schreiber (3. Aufl., Leipz. 1886), Berger (12. Aufl., das. 1898), Pillet (2. Aufl., Par. 1888), Conz (Stuttg. 1888), Schlotke (2. Aufl., Dresd. 1902), Freyberger (in der Sammlung Göschen, 3. Aufl., Leipz. 1905), Seeberger, Prinzipien der[625] P. (8. Aufl., Münch. 1904), sowie die Spezialwerke: Gennerich, Lehrbuch der P. für bildende Künstler (Leipz. 1865); Tilscher, System der technisch-malerischen P. (Prag 1867); Hügel, Geschichtliche Entwickelung der P. in der klassischen Malerei (Würzb. 1881); Niemann, Handbuch der Linearperspektive für bildende Künstler (2. Aufl., Stuttg. 1902); Hauck, Die malerische P. (Berl. 1882); de Laspée, Grundregeln der malerischen P. (Wiesb. 1883); Märtens, Der optische Maßstab (2. Aufl., Berl. 1884); Heyn, Hauptsätze der P. (2. Ausg., Leipz. 1897); Balmer, Die freie P. (Braunschw. 1887); Peschka, Freie P. (2. Aufl., Leipz. 1888, 2 Bde.); Söllner, P. für Maler, Architekten etc. (2. Aufl., Stuttg. 1891); Kleiber, Katechismus der angewandten P. (4. Aufl., Leipz. 1904); Adamo, P. für Architekten und Bauhandwerker (Münch. 1899); Kolbenheyer, Die Vogelperspektive (Berl. 1902); Billeter, Lehrbuch der angewandten P. (Basel 1904); Böklen, Vorlagenwerk für konstruktives Zeichnen, 3. Teil (3. Aufl., Stuttg. 1886); A. v. Öttingen, Elemente des geometrisch-perspektivischen Zeichnens (Leipz. 1901); Wiener, Lehrbuch der darstellenden Geometrie, Bd. 2 (das. 1887), wo auch die Geschichte der P. eingehend behandelt ist; Rohn u. Papperitz, Lehrbuch der darstellenden Geometrie, Bd. 2 (das. 1896); Burmester, Theorie und Darstellung der Beleuchtung gesetzmäßig gestalteter Flächen (2. Aufl., das. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 625-626.
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