Petroleumkraftmaschine

[666] Petroleumkraftmaschine (Petroleummotor, Ölmotor), eine Verbrennungskraftmaschine, die mit einem Petroleumdestillat (Gasolin, Benzin, Ligroin, verschiedene Sorten Leuchtöle [Lampenpetroleum], Solaröl etc.), auch mit Rohnaphtha und Benzol betrieben wird. In der Wirkungsweise ist die P. der Gaskraftmaschine (s. den Artikel »Gaskraftmaschine«, hinsichtlich seines für alle Verbrennungsmotoren gültigen Inhalts) vollkommen gleich, nur tritt an Stelle des Gases der flüssige Brennstoff. Dieser wird dem Motor in Form von Dampf oder in sein zerstäubtem Zustande zugeführt und bildet mit der nötigen Luft ein brennbares Gemisch. Alle gegenwärtigen Petroleummotoren arbeiten mit Verdichtung (Kompression) der Ladung. Es wird entweder das Gemisch von Brennstoff und Luft oder zunächst die Verbrennungs luft allein verdichtet und der Brennstoff dann unter Druck zugeführt. Neben dem Viertaktsystem, das weitaus vorherrschend ist, findet das Zweitaktsystem bei der P. nur wenig Anwendung. Einfach wirkende Motoren mit einem oder mehreren Zylindern, liegend oder stehend gebaut, sind die gebräuchlichen, wogegen doppeltwirkende Zylinder kaum in Betracht kommen. Die Zündung des Brennstoff-Luftgemisches erfolgt bei Benzinmotoren meist elektrisch, bei Petroleummotoren gewöhnlich durch Glührohre. Bei einigen Ausführungen fehlt eine besondere Zündvorrichtung, in welchem Falle die Zündung durch stark erhitzte Stellen der Verdampferwände (über Verdampfer s. unten) erfolgt, oder es tritt Selbstzündung ein, sobald die Verdichtung im Arbeitszylinder genügend hoch getrieben wird. Für die stark erhitzten Teile (Zylinder, Zylinderkopf) kommt bei ortfesten Motoren durchweg Wasserkühlung zur Anwendung. Mitunter, besonders bei lokomobilen Motoren, wird zur Beschränkung des Kühlwasserverbrauchs das ständig zufließende Kühlwasser im Zylindermantel nicht nur erwärmt und dann abgeführt (Durchflußkühlung), sondern vollständig verdampft (Verdampfungskühlung). Luftkühlung unter Zuhilfenahme von Kühlrippen ist nur bei kleinern Wagenmotoren gebräuchlich. Die Regulierung erfolgt durch Aussetzer (s. Gaskraftmaschine, S. 373) oder durch Verdünnung oder Verminderung des Brennstoff-Luftgemisches. Bei Benzin und ähnlichen leicht flüchtigen Brennstoffen, die schon bei Luftwärme verdunsten, wurden früher die sogen. Verdunstungskarburatoren benutzt. Während des Saughubes wird die Luft fein zerteilt durch den flüssigen Brennstoff geleitet, wodurch sie mit Dämpfen desselben angereichert (karburiert) wird. Dabei kann jede Gasmaschine nach unwesentlichen Veränderungen auch mit Benzin betrieben werden. Wegen verschiedener Nachteile der Verdunstungskarburatoren (Vergrößerung des Saugwiderstandes, ungleichmäßige Gemischbildung, nicht ungefährlich) ist man dazu übergegangen, den flüssigen Brennstoff in den bei jedem Saughube in den Motorzylinder eintretenden Luftstrom in sein zerstäubtem Zustand einzuführen (Einspritzkarburation). Dieser Mischungsvorgang kann sich in einem besondern Apparat, im Einlaßkanal oder im Zylinder abspielen. Die Zerstäubung geschieht durch besondere Zerstäuber (Brausen, Düsen), Verdampfer werden bei Motoren für schwer flüchtige Öle (Lampenpetroleum, Rohöle etc.) benutzt. In den als selbständigen Apparat ausgebildeten Verdampfern (auch Vergaser genannt) wird das Öl unter künstlicher Wärmezuführung (durch besondere Heizlampen oder die Abgase der Maschine) verdampft und der erzeugte Öldampf (entweder[666] gleichzeitig oder nachträglich) mit Luft vereinigt. Die Verdampfung kann aber auch in gewissen, durch die Verpuffungswärme stark erhitzten Teilen des Zylinders oder Zylinderkopfes geschehen. Der Verdampfung geht meist eine Zerstäubung des Brennstoffs voraus. Diese erfolgt durch die schon erwähnten Zerstäuber, oft auch unter gleichzeitiger Zuhilfenahme eines Preßluftstrahles. Zerstäubt man den flüssigen Brennstoff so vollkommen, daß er in einen nebelartigen Zustand übergeht, dann kann auch ohne besondere Verdampfung ein gutes, gleichartiges Brennstoff-Luftgemisch hergestellt werden, dessen flüchtiger Bestandteil erst im Zylinder, vorwiegend während des Verdichtens, Dampfform annimmt.

Fig. 1. Brennstoffzuführung und -Zerstäubung eines Benzinmotors.
Fig. 1. Brennstoffzuführung und -Zerstäubung eines Benzinmotors.

Dieses Verfahren gestattet, da das Brennstoff-Luftgemisch hierbei kühl in den Zylinder eintritt, ohne Gefahr der Frühzündung hohe Verdichtungsspannungen, was für die Ausnutzung des Brennstoffs günstig ist. Die Brennstoffpumpen führen dem Zylinder für jede Ladung den Brennstoff in bestimmter Menge zu. Durch den Regulator wird die Liefermenge dieser mit Plungerkolben ausgeführten Pumpen der jeweiligen Maschinenbelastung angepaßt und so die Regulierung der Maschine bewirkt. Brennstoffpumpen werden oft ganz vermieden, indem man den Brennstoff durch den Arbeitskolben aus einem hoch oder unter Luftdruck stehenden Behälter anfangen läßt. Zur Erzielung einer gleichmäßigen Brennstoffzuführung wird hierbei gewöhnlich durch Schwimmer- oder Überlaufventile der Einfluß der veränderlichen Höhe des Flüssigkeitsspiegels im Vorratsgefäß unschädlich gemacht.

Fig. 1 zeigt eine Einrichtung zur Zuführung und Zerstäubung des flüssigen Brennstoffs bei Benzinmotoren von der Gasmotorenfabrik Deutz. Das Benzin läuft dem Gefäße l durch das Rohr e aus einem höher stehenden Behälter zu. Der Eintritt des Benzins in das Gefäß l steht unter der Einwirkung eines Nadelventils m, das seinerseits wieder von einem Schwimmer n beeinflußt wird. Das mit einem Gewicht f belastete Nadelventil wird mittels der beiden Hebel g, g offen gehalten, solange letztere an ihren nach der Gefäßwand gekehrten Enden durch den Schwimmer belastet werden. Steigt das Benzin im Gefäß bis zu einer bestimmten Höhe, dann wird der Schwimmer gehoben, die Hebel g, g entlastet, und das Nadelventil schließt sich unter Einfluß des Gewichtes f. Auf diese Weise wird der Benzinspiegel im Gefäß konstant erhalten. Durch den Kanal h gelangt das Benzin nach dem Zerstäuber r und stellt sich hier in gleicher Höhe wie im Schwimmergefäß ein (dicht unterhalb der Austrittsöffnungen des Zerstäubers). In das Zerstäubungsgehäuse o mündet das Luftansaugerohr p, das mit einem vom Auspuffrohr k durchzogenen Luftvorwärmer i verbunden sein kann. Bei dem Saughub der Maschine wird infolge des im Zerstäubungsgehäuse o entstehenden Unterdruckes Benzin angesaugt, das in seinen Strahlen aus dem Zerstäuber austritt, sich mit der gleichzeitig angesaugten Luft mischt und verdampft Das Benzin-Luftgemisch gelangt bei q nach dem Einlaßventil des Motors. Das mit dem tief liegenden Benzinfaß verbundene Rohr s dient zum Abfluß von bei etwaiger Undichtigkeit des Schwimmerventils durch den Zerstäuber in das Zerstäubergehäuse übergetretenen Benzins.

In ähnlicher Weise kann die Brennstoffzuführung und -Zerstäubung auch bei Petroleummotoren bewirkt werden. Hierbei ermöglicht eine besondere Einrichtung, beim Anlassen anstatt Petroleum, das in der kalten Maschine nicht verdampfen würde, zunächst Benzin zuzuführen. Bei Motoren mit besonders geheiztem Verdampfer muß dieser vor der Inbetriebsetzung bis auf die zur Petroleumverdampfung nötige Temperatur erhitzt werden.

Bei dem hauptsächlich für schwere Öle bestimmten Haselwander-Motor (Fig. 2–1, S. 668) wird nicht ein fertiges Gemisch von Brennstoffdampf und Luft, sondern nur reine Luft angesaugt und verdichtet, in die der flüssige Brennstoff sein zerstäubt unter Druck eingespritzt[667] wird, nachdem die höchste Verdichtungsspannung annähernd erreicht ist.

Fig. 2. Horizontalschnitt (Kolben in vorderster Stellung).
Fig. 2. Horizontalschnitt (Kolben in vorderster Stellung).
Fig. 3. Horizontalschnitt (Kolben nahe der hintersten Stellung).
Fig. 3. Horizontalschnitt (Kolben nahe der hintersten Stellung).
Fig. 4. Querschnitt durch den Zylinderkopf. Fig. 2–4. Haselwander-Motor.
Fig. 4. Querschnitt durch den Zylinderkopf. Fig. 2–4. Haselwander-Motor.

Der Motor arbeitet im Viertakt. Beim Kolbenvorlauf wird durch das selbsttätige Einlaßventil m Verbrennungsluft angesaugt. Gegen Ende des Saughubes öffnet sich zwangläufig das Brennstoffventil b und es gelangt (von einem hoch stehenden Vorratsgefäß) Brennstoff in den Raum c vor die Düse d, wo er einstweilen verbleibt. Vor Ende des Verdichtungshubes tritt der am Kolben befindliche Ansatz e in die Öffnung f des Zylinderkopfes ein, auf der Umfangsfläche möglichst gut abdichtend. Hierdurch werden zwei getrennte Verdichtungsräume gebildet. In dem abgeschnittenen Ringraum g steigt die Verdichtung höher als in dem Raum k. Die höher komprimierte Luft tritt mit großer Geschwindigkeit durch das Kanälchen h in den Raum c und reißt den dort lagernden Brennstoff, ihn durch die Düse d zerstäubend, mit nach dem Verbrennungsraum k. Die hier befindliche Luft ist infolge der Verdichtung so hoch erhitzt worden, daß der eingespritzte Brennstoff augenblicklich verdampft und die Ladung durch die Verdichtungswärme in Verbindung mit der Abhitze der umschließenden Wandungen im Totpunkt entzündet wird (Selbstzündung). Es folgt nun der Arbeits- (Expansions-) hub und dann der Auspuffhub, wobei die Verbrennungsgase durch das Auslaßventil l entweichen. Die Regulierung des Motors erfolgt durch Veränderung der eingespritzten Brennstoffmenge. Beim Anlassen des Motors wird unter Verwendung von Benzin statt Petroleum zunächst elektrisch gezündet, da bei kalter Maschine die Verdichtungstemperatur nicht genügend hoch ist. Sobald die Maschine genügend warm ist, wird von Benzin auf Petroleum umgeschaltet und der elektrische Zünder außer Tätigkeit gesetzt. Der Haselwander-Motor hat die Einblasung des Brennstoffes in die hoch verdichtete Verbrennungsluft und die Selbstzündung mit dem Diesel-Motor (s. Wärmemotor von Diesel) gemein und kommt diesem auch im Brennstoffverbrauch sehr nahe.

Von andern bekannten Benzin- und Petroleummotoren seien noch genannt diejenigen von Capitaine, Daimler, Banki (Wassereinspritzung in den Zylinder zur Verminderung der Verdichtungswärme), Priestmann, Hornsby-Akroyd, Benz, Gebr. Körting, Güldner, Trinkler.

Nach dem zur Verwendung kommenden Brennstoff, insbes. nach dessen Heizwert, richtet sich das Mischungsverhältnis zwischen Brennstoff und Luft, die vorteilhafteste Verdichtungsspannung, die auftretende Verpuffungsspannung und der Brennstoffverbrauch. Letzterer ist auch noch abhängig von der Konstruktion, Größe u. Belastung des Motors. Die unten folgende Tabelle enthält ungefähre Angaben.

Die P. findet oft da Verwendung, wo wegen des Fehlens einer allgemeinen Gasanstalt der Gasmotorenbetrieb ausgeschlossen ist. Jedoch ist die Bedeutung der P. als ortfester Motor gegenwärtig im Rückgang begriffen. In Deutschland wie in den meisten andern Ländern ohne bedeutendere Ölquellen werden infolge des Eingangszolles die Brennstoffpreise sehr erhöht. Nachdem sich die Kraftgaserzeuger, insbes. die Sauggasgeneratoren, befriedigend entwickelt haben, ist die P. mit guten Kraftgasmotoren wirtschaftlich nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn Anlagen mit annähernd voller Betriebszeit in Betracht kommen. Überlegen zeigen sich die Benzin- und Petroleummotoren hingegen den Gasmotoren mit eignem Gaserzeuger, sobald augenblickliche Betriebsbereitschaft verlangt wird, ferner in Betrieben mit kurzer Arbeitsdauer oder häufigen Unterbrechungen. In der beweglichen (transportabeln) Ausführungsform dagegen finden die Benzin- und Petroleummotoren mannigfaltige Anwendung (Lokomobilen, Lokomotiven [für Feld-, Wald-, Gruben-, Industrie- und Kleinbahnen, Rangierlokomotiven], Eisenbahnpersonenwagen [für den Lokalverkehr], Straßenwagen zum Transport von Lasten und Personen [Omnibusse, Automobile], Feuerspritzen, Pflüge, Boote; vgl. Motorboote). Für die Ausstellung der Benzin- und Petroleummotoren besteht im allgemeinen vollständige Freiheit. In gewissen Betrieben schreiben jedoch die größern Feuerversicherungsgesellschaften bestimmte Schutzmaßnahmen vor. Auch dem Versand und der Aufbewahrung des Benzins und Petroleums sind feuerpolizeiliche[668] Beschränkungen auferlegt. – In der folgenden Tabelle bezieht sich der Brennstoffverbrauch auf normale Leistung für Motorgrößen bis etwa 25 Pferdekräfte:

Tabelle

Geschichtliches. Die ersten Versuche, flüssige Brennstoffe zum Betrieb von Motoren zu verwenden, sind von Barber 1791 und von Street 1794 angestellt worden. Aber erst, nachdem die Gasmaschine durch Lenoir betriebsfähig geworden war, konnte sich die P. entwickeln. 1862 soll es Lenoir gelungen sein, seine Gasmaschine auch für flüchtige Kohlenwasserstoffe verwendbar zu machen. Ebenso wurde die atmosphärische Gasmaschine von Otto und Langen in einzelnen Fällen mit Benzin gespeist. 1873 wurden die Benzinmotoren von Hock in Wien und von dem Amerikaner Brayton bekannt, denen viele andre Konstruktionen folgten. Erst später gelang die motorische Ausnutzung des Lampenpetroleums. Vgl. die Literatur bei Artikel »Gaskraftmaschine«; ferner Lieckfeld, Die Petroleum- und Benzinmotoren (2. Aufl., München 1901); W. Hartmann, Leistungsversuche mit Petroleummotoren (Berl. 1895); Güldner, Konstruktion und Betriebsergebnisse von Fahrzeugmotoren für flüssige Brennstoffe (in der »Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure«; Sonderdruck, das. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 666-669.
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