Telegraphenverein, internationaler

[391] Telegraphenverein, internationaler, Gesamtheit der dem Internationalen Telegraphenvertrage beigetretenen Staaten und Telegraphengesellschaften. Beigetreten sind bis 1907: alle europäischen Staaten, Ägypten, Argentinien, Australischer Staatenbund, Bolivia, Brasilien, Britisch-Indien, Britisch-Ostafrika und Uganda, Ceylon, Französisch-Indochina, Island, Japan, Kapkolonie, Madagaskar, Natal, Neukaledonien, Neuseeland, Niederländisch-Indien, Oranjeflußkolonie, Senegal, Siam, Kanarische Inseln, Transvaal, Türkei, Tunis und Uruguay; die Gesellschaften sind entweder, wie z. B. die Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft, die Eastern Telegraph Co. etc., vollständig beigetreten, oder wenden wenigstens die Vertragsbestimmungen vollständig oder im wesentlichen an. Der internationale Telegraphenverein hatte folgende Entwickelung:

Tabelle

Das Zentralorgan des Vereins ist das Internationale Telegraphenbureau (Bureau international des Administrations télégraphiques) in Bern, das der obersten Verwaltung der Schweiz unterstellt ist; ihm liegt ob: Zusammenstellung der Tarife und der Statistik, Verbreitung der Mitteilungen über neue Telegraphenverbindungen und -Anstalten, Linienunterbrechungen (sogen. Berner Meldungen), Herausgabe der Zeitschrift »Journal télégraphique«, der Welttelegraphenkarte, des Telegraphenanstalten-Verzeichnisses, des Wörterbuchs für verabredete Sprache, Vermittelung in allen Fragen der internationalen Telegraphie. Insbesondere hat das Bureau die Arbeiten für die Telegraphenkonferenzen, d. h. für die Verwaltungskonferenzen der Abgesandten aller Vertragsstaaten zur Revision der Ausführungsübereinkunft und des Tarifs vorzubereiten. – Nach Zulassung von Privattelegrammen (z. B. in Preußen 1. Okt. 1849) zeigte sich sofort die internationale Natur der Telegraphie. Für einen internationalen Verkehr mußten die technischen Einrichtungen (Apparate) und die Betriebsvorschriften gleichmäßig sein, weshalb alle europäischen Staaten gruppenweise Telegraphenverträge abschlossen. Dem durch den Deutsch-österreichischen Telegraphenverein (begründet 25. Juli 1850) gegebenen Beispiel folgten von 1852 ab die romanischen Staaten, Frankreich, Belgien, die Schweiz, Sardinien und Spanien, die durch den Pariser Vertrag vom 29. Dez. 1855 den westeuropäischen Telegraphenverein gründeten. Beide Vereine traten 1865 in Paris zu einer ersten internationalen Telegraphenkonferenz zusammen, durch die der internationale Telegraphenverkehr in einem für ganz Europa gültigen Vertrag seine Regelung erhielt. Internationaler Apparat wurde der Morseapparat. Auf der zweiten internationalen Telegraphenkonferenz in Wien 1868 traten die asiatischen Verwaltungen (asiatisches Rußland und Britisch-Indien) dem internationalen Telegraphenverein bei; das Internationale Telegraphenbureau wurde gegründet und der Hughesapparat eingeführt. Auf der dritten Konferenz in Rom 1872 wurde den Privatkabelgesellschaften der Beitritt zum internationalen Telegraphenverein ohne Stimmrecht gestattet. Die vierte Konferenz, 1875 in St. Petersburg, teilte das internationale Vertragsinstrument in zwei Urkunden, von denen die erste, der noch heute gültige Vertrag über die unveränderlichen Rechtsverhältnisse der Verwaltungen untereinander und dem Publikum gegenüber, von den diplomatischen Vertretern der Staatsregierungen unterzeichnet wurde, während die zweite, die Ausführungsübereinkunft, von den Telegraphenverwaltungen im gegenseitigen Einverständnis jederzeit geändert werden kann. Für außereuropäische Telegramme wurde der Worttarif eingeführt. Konferenzen zur Abänderung der Ausführungsübereinkunft fanden statt: London 1879, Berlin 1885 (der Fernsprecher wird internationales Verkehrsmittel), Paris 1890, Budapest 1896, London 1903 (Klopfer-, Baudot- und Wheatstoneapparate für den internationalen Verkehr zugelassen). Die nächste Konferenz soll 1908 in Lissabon stattfinden. Der von der internationalen Konferenz für drahtlose Telegraphie abgeschlossene internationale Vertrag über Radiotelegraphie, Berlin 1906, ist unabhängig vom St. Petersburger Vertrag.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 391.
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