Warenhaussteuer

[375] Warenhaussteuer, eine Sondersteuer, mit der die Inhaber von Warenhäusern (s. d.) getroffen werden, teils weil ihre Leistungsfähigkeit mit den allgemeinen Steuern (insbes. der Gewerbesteuer) nicht genügend erfaßt wird, teils um dadurch das Warenhauswesen einzuschränken und dem Ladenkleinhandel die Konkurrenz zu erleichtern (daher der Name: Erdrosselungssteuer). Frankreich hat eine W. 1880 eingeführt und durch Gesetze von 1889 und 1893 noch verschärft. Die Steuer wird nach der Zahl der Angestellten und in Prozenten des Mietwertes der Geschäftsräume erhoben und beträgt ungefähr das Dreifache der gewöhnlichen Patentsteuer. In Bayern ist eine höhere Besteuerung der Großbasare etc. im Rahmen des Gewerbesteuergesetzes vom 9. Juni 1899 vorgesehen, dessen § 23 bestimmt, daß solche Geschäfte mit 1/2-3 Proz. des Geschäftsumsatzes zu besteuern sind. In Preußen ist durch Gesetz vom 18. Juli 1900 eine W. auf alle Unternehmen gelegt worden, die das stehende Gewerbe des Klein- (Detail-) handels mit mehr als einer der im Gesetz bezeichneten vier Warengruppen betreiben, sofern der Jahresumsatz 400,000 Mk. übersteigt. Ausgenommen sind die nicht gewerbesteuerpflichtigen eingetragenen Genossenschaften und Korporationen. Die Steuer beginnt mit 1 Proz. des Umsatzes und steigt dann in Stufen von je 50,000 Mk. bis zu 2 Proz. bei 1 Mill. Mk. Umsatz. Von da ab beträgt die Steuer 2 Proz. vom Anfangssatz der um je 100,000 Mk. Umsatz wachsenden Stufen. Die Feststellung der Höhe des Umsatzes erfolgt durch Selbstangabe des Steuerpflichtigen. Übersteigt die Steuer 20 Proz. des gewerbesteuerpflichtigen Ertrages, so kann sie auf Antrag des Beteiligten bis auf die Hälfte herabgesetzt werden. Die Steuer muß auch bei Zerlegung des Warenhauses in mehrere selbständige Betriebe entrichtet werden, wenn aus den Umständen ersichtlich ist, daß die Zerlegung nur zum Zweck der Verdeckung des Warenhausbetriebes erfolgt. Bei mehreren Verkaufsstätten ist von jeder ohne Rücksicht auf die Höhe des Umsatzes eine Steuer von 2 Proz. des Jahresumsatzes zu entrichten. Außerpreußische Warenhäuser haben für jede preußische Filiale ohne Rücksicht auf deren Umfang die gleiche Abgabe zu zahlen; für den Fall des Nachweises jedoch, daß der Gesamtumsatz des ganzen Unternehmens 400,000 Mk. nicht übersteigt, bleiben sie frei, und sofern ihr Gesamtumsatz zwischen 400,000 und 1 Mill. Mk. beträgt, werden die preußischen Filialen nur mit dem verhältnismäßigen Anteil an demjenigen Steuersatz herangezogen, den das ganze Unternehmen zu entrichten hätte, wenn es in Preußen läge. Der Ertrag der W. (in ganz Preußen 1906: 2,5 Mill. Mk. von 90 Steuerpflichtigen) fließt den Gemeinden zu, die ihn zur Erleichterung der Gewerbesteuerlast der dritten und vierten Gewerbesteuerklasse, oder, falls diese Klassen nicht zur Gewerbesteuer herangezogen werden, zur Bestreitung von Gemeindebedürfnissen vorzugsweise im Interesse der kleinen Gewerbtreibenden verwenden sollen. In Sachsen können nach einer Verordnung von 1897 die Gemeinden eine Umsatzsteuer von Warenhäusern mit 2 Proz. erheben. Die braunschweigische W. vom 28. März 1904, die 2 Proz. des Umsatzes nicht übersteigen soll, ist eine reine Zwecksteuer; denn ihr Ertrag ist von den Gemeinden zur Förderung des Kleinhandels und Handwerks zu verwenden. Ähnliche Steuern in Baden und andern Staaten. Vgl. Wernicke, Umsatzsteuer und Konsumvereine (Berl. 1898); Grävell, Zum Kampfe gegen die Warenhäuser (Dresd. 1899); Rehm, Warenhausumsatzsteuer und Gewerbefreiheit (Fürth 1900) und Gegen die W. (Leipz. 1900); Biermer, Warenhäuser und W. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften« (2. Aufl., Bd. 7, Jena 1901); Erhardt, Die Warenhausumsatzsteuer (Berl. 1900); v. Heckel, Das Problem der Warenhäuser und der W. (Dresd. 1902); Steindamm, Die Besteuerung der Warenhäuser (Berl. 1903); Zimmermann in den »Annalen des Deutschen Reichs« (Münch. 1905); Gehrig, Die W. in Preußen (Leipz. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 375.
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