Gelbsucht

[100] Gelbsucht (Icterus, Morbus regius s. acquatus, Aurigo), diejenige Krankheit, bei welcher die Ausscheidung der Galle durch die Leber- u. Gallenwege behindert ist u. daher Zufälle von Verhaltung der Gallenstoffe im Blute (Cholämie) eintreten. Die damit einhergehende gelbliche (icterische) Färbung der Haut ist sehr verschiedengradig; der ausgeleerte Koth ist gallenlos, weiß od. grau thonartig, der Harn so mit Gallenfarbstoff geschwängert, daß er braun ist u. weißes Papier od. Leinwand braun färbt. Die gelbliche Hautfärbung geht zuweilen ins grünliche od. schwarzgrüne (Ict. viridis, I. niger s. melanicterus); zuweilen sieht der Kranke alle Gegenstände gelb (Xanthopsia) gefärbt u. sogar Speichel u. Schweiß hat eine gelbe Farbe. Die G. ist von mancherlei Verdauungsstörungen begleitet, herrührend von mangelndem Ergusse der Galle in den Darmkanal, wie Mangel an Appetit, Magendrücken, Übelkeit, Blähung, Durchfall od. Verstopfung, Anschwellung der Leber, Müdigkeitsgefühl u. Eingenommenheit des Kopfes. Oft ist der Puls sehr langsam; die G. verläuft bald acut u. mit Fieber, bald sehr langwierig. Die Behinderung der Gallenausscheidung kann durch Entzündung der Gallenwege (Icterus inflammatorius u. rheumaticus s. catarrhalis) bedingt sein od. durch Verstopfung derselben mit Gallensteinen (Ict. calculosus). Schleim, Blut, Würmern, durch Zusammendrückung od. Krampf (Ict. spasmodicus), bald durch organische Leberkrankheiten (wie Granulation, Atrophie, Krebs), bald durch Erkrankung des Zwölffingerdarms. Es gibt noch zwei eigenthümliche Arten der G.: a) die acute G. mit gelber Atrophie der Leber, welche schnell u. meist mit galligem Fieber eintritt, sich in 2–3 Tagen unter heftigen Schmerzen entwickelt u. mit (durch Untersuchung mit dem Plessimeter bemerkbarer) auffälliger Leberverkleinerung einhergeht. Die Leber zerfließt zu gelber Masse, die Milz schwillt an u. der Tod tritt zumeist durch Blutzersetzung unter Erscheinungen von Betäubung, Lähmung u. Krämpfen ein; b) die G. der Neugeborenen (Ict. neonatorum) beginnt mit dem 3. od. 4. Tage nach der Geburt mit Gelbfärbung der Haut u. verschwindet in der zweiten Woche; die Stühle sind dabei oft noch gallenhaltig, grün, gehackt, durchfällig, der Urin nicht braun u. andere Krankheitserscheinungen fehlen oft ganz. Das Übel herrscht bisweilen epidemisch, hier u. da endemisch u. wird von Vielen den mit der Unterbindung u. Lösung des Nabelstranges verknüpften Functionsstörungen der Leber zugeschrieben. Zur Behandlung reichen meist laue Bäder hin u. Beförderung der Ausleerung des Kindspechs durch Klystiere, u. nur bei größerer Hartnäckigkeit macht sich Rhabarber nöthig. Die Behandlung der G. richtet sich nach den zu Grunde liegenden Ursachen u. ist eben so verschieden wie diese es sind. Als specifische Mittel gegen G. werden Fußbäder von Salpeter- oder Salpetersalzsäure, auch der innere Gebrauch dieser Mittel gerühmt, ferner frischer Saft von Möhren, Gurken, Wolfsmilch, Schöllkraut etc. In der Volksmedicin huldigt man dem Glauben, daß bloßes Anschauen gelber Dinge, eines Gefäßes voll Theer, eines gelben Vogels etc. die Krankheit heilen könne. Vgl. Corp, An essay on the jaundice, Lond. 1785; Vogler, Von der G. u. deren Heilart, Wetzl. 1791; Rumpelt, De ictero, Lpz. 1794; Lembeke, Analecta ad icteri aetiologiam spectantia, Gött. 1795; Bernhardi, De icteri natura, 1799; Brüning, Über die Erkenntniß u. Heilung der G., Wien 1806; Cornac, Essai sur la jaunisse ou l'ictere, Par. 1809; Borel, Tentamen sistens praecipuas icteri species, Par. 1816; Mühlendorf, De ictero, Berl. 1818; Trier, De ictero, Kopenh. 1825–27. 2) Krankheit der Schafe, s. Egelkrankheit; 3) Krankheit der Seidenraupen, Kopf u. Ringe schwellen an, die Haut wird glänzend, die Raupe gibt ein gelbes Wasser von sich. Mittel: Trennung der Kranken von den Gesunden u. Einwirkung frischer Luft auf erstere; 4) Krankheit des Rindviehs u. der Pferde; gibt sich zu erkennen durch gelbliche Farbe der Augen, Lippen, Zunge, des Zahnfleisches, durch gelblichgrünen Harn, sehr hellen Mist, Mattigkeit od. Traurigkeit. Die G. geht in Abzehrung od. Wassersucht über. 5) (Bleichsucht) Krankheit der Pflanzen; dieselben werden blaß u. gelb, treiben dürre Stängel u. Äste, u. weder Blätter noch Blüthen werden gehörig ausgebildet, sondern sterben sehr leicht ab. Die. Säfte sind mit sehr viel Wasser u. Schleim vermischt. Ursachen sind vorzüglich viel Regen od. plötzlich eintretende Kälte nach warmen Tagen, worauf dann wieder Wärme folgt. Mittel: gepulverter, mit Erde gemengter Eisenvitriol als Überdüngungsmittel.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 100.
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