Laos

[119] Laos heißt bei den Europäern das ganze Binnenland von Hinterindien, welches nach keiner Seite zum Meere reicht, bisher nur von sehr wenigen europäischen Reisenden besucht wurde u. deshalb zu den am wenigsten bekannten Ländern Asiens gehört. Das ganze weite Gebiet umfaßt die Gebirgsländer u. Alpenthäler zwischen den Indochinesischen Reichen (Birma, Siam, Annam u. China) u. wird von mehren unabhängigen, unter einheimischen erblichen Fürsten lebenden Stämmen bewohnt, welche nur scheinbar die Oberhoheit der benachbarten Reiche anerkennen u. ihrer Nationalität u. Sprache nach dem Volke der Thai (d.i. die Herrlichen), wie sie sich selbst nennen, od. der Shan (woraus der Name Siam entstanden), wie sie bei den Birmanen heißen, anzugehören scheinen. Aus letzterem Grunde werden die Laosstaaten von mehreren Geographen der neuesten Zeit auch unter dem Namen der Shanstaaten zusammengefaßt. Das ganze Land ist ein Bergland, welches von meist von Norden nach Süden streifenden Ketten durchzogen ist, zwischen denen die Stromläufe der aus Tibet u. Yünnan kommenden großen Ströme Irawaddy, Salwen u. Mekhong (Cambodjasluß), sowie (zwischen letzteren beiden mitteninne) des Menam fruchtbare Thäler bilden, die auch angebaut sind. Ihre Bewohner zeigen allerwärts eine gewisse Cultur, nur die eigentlichen Gebirgslandschaften sind von einer Anzahl von Völkerschaften bewohnt, welche als mehr od. weniger wild geschildert werden, aber wie es scheint, sämmtlich dem Volke der Shan zugehören u. nur die von der indischen Cultur unberührt gebliebenen Reste der Urbewohner sind. Dahin gehören vor Allem die Lawas, welche über das ganze Land zerstreut sind u. als gute Ackerbauer geschildert werden, welche Indigo, Zuckerrohr u. Baumwolle bauen, namentlich viel Baumwolle an die Nachbarstaaten verkaufen, auch viel Eisen gewinnen u. gute Metallarbeiten liefern. Sie sind klein, mit eingedrückter Nase, niedriger Stirn u. hervortretenden Backenknochen. Die größte, aber auch zugleich am wenigsten civilisirte Masse von Lawas bewohnt das Gebirgsland westwärts u. nordwärts von Muang-Lem (zwischen Salwen u. Mekhong). Die Lau-Lans wohnten östlich des Mekhong u. zahlten Tribut nach Kiang-Hung; wahrscheinlich sind sie identisch mit dem Volke der Lolos, welche zu den civilisirten Shans in Yünnan gehören. Die Li-Lun, unter chinesischer Hoheit, im Norden von Kiang-Hung, gelten für die Erbauer des Opiums, das durch chinesische Kaufleute nach Ava gebracht wird. Andere, fast nur dem Namen nach bekannte Bergvölker sind die Yem, Kali, Putai, Kapin, Kalau, Kadams, Kamu, Kamets, ferner die Yeins, Dumoos u. Dunos; letzteres Volk treibt gleich den Paloungs an der chinesischen Grenze Theebau. Die Khamtis im Norden von Birma, sowie die Bewohner des[119] Kuhothales am Khyendwen, westlich des Irawaddy, gehören ebenfalls zu den Shan. Die genauesten Nachrichten besitzt man gegenwärtig noch über die Staaten der Shan, welche zu Birma u. Siam gerechnet werden; diejenigen, welche China (s. Koshanpri) u. Annam zugesprochen werden, sind kaum dem Namen nach bekannt. Die Stromthäler sind gut angebaut u. zum Behuf der Reiscultur künstlich bewässert; die Berge sind von Nadelholz, Teak- u. Saulwäldern bedeckt; Pelzwerk, Thee (am Mekhong, Salwen u. westlich des letzteren, bis herab zur Breite von Ava) u. Baumwolle, sowie Benzoin, Gummilack, sind die wichtigsten Handelsproducte; chinesische Kaufleute durchziehen das Land nach allen Richtungen u. sind in den größeren Städten ansässig; Die Zahl der Bewohner kann 4 bis 5 Mill. betragen; sie bekennen sich zum Buddhismus. Die Sprache der Bewohner von L. ist nur dialektisch von der Siamefischen verschieden; ihre Literatur ist zahlreich, aber durchaus nur buddhistisch. Zum Schreiben bedient man sich, wie in Birma u. Siam, der Palmblätter. Schriftstücke des gewöhnlichen Verkehrs werden auf grobes Papier mit irdenen Stiften geschrieben.

Früher waren die Shanvölker des indochinesischen Binnenlandes zu größeren Reichen vereinigt; ein solches scheint um das 12. u. 13. Jahrh nicht blos L., sondern auch den Norden Birmas u. die südwestlichen Theile Chinas umfaßt zu haben; nach Einigen soll Pong od. Mogoung die Hauptstadt gewesen sein, nach Andern lag dieselbe in Yünnan am Shawleefluß unter 24° nördl. Vreite. Gegenwärtig bilden die Shan zahlreiche kleine Fürstenthümer, die unter ihren eigenen Häuptlingen (Tsaubwas) stehen, welche Letztere bald nach Birma u. Siam, bald nach Annam od. China Tribut senden, mit wenigen Ausnahmen sonst aber ganz unabhängig sind. Von den Birmanen werden folgende Staaten als tributpflichtig genannt: Mobye, inmitten der Rothen Karens, an einem Zuflusse des Salwen, dessen gleichnamige Hauptstadt jedoch nur 50 Häuser zählt; Mokme od. Moung-Me, gleichnamige Hauptstadt mit 350 Häusern, zwei Tagereisen nördlich der letzteren; Mone, am Nam-tween, einem Zufluß des Me-Ting, 8000 Ew., Hauptort des gleichnamigen, Fürstenthums u. zugleich Sitz des höchsten Magistrats für die dem Hofe von Ava tributpflichtigen Shansürsten. Der westlichste der letzteren ist der von Nyoung-yuwe od. Nyoungshwe, welche 6–7000 Unterthanen zählt, von denen etwa 800 in seiner Residenz wohnen u. ein Theil aus Tavoyern besteht, deren Ahnen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. einwanderten; Legya, in ziemlich blühendem Zustande; Hauptstadt mit 7–8000 Ew.; Theebo, ein kleiner Staat, durch den die Straße von Ava nach China führt; letzteres gilt auch von Theinnee od. Tsen-vee, der ein ziemlich großes Gebiet umfaßt; Hauptstadt 2000 Ew. Während die genannten Staaten alle noch westlich des Salwen liegen, bestehen auf der östlichen Seite: Kaingma u. Maingmaing, ein verbundener Staat, der Silber-, Kupfer-, Eisen- u. Steinsalzgruben enthält u. mehr von China abhängig ist, als von Birma; Muang-Ting od. Maing-Tein, kleiner Staat am Nanting; Muang-Lem od. Maing-leng-gyee, wenig bekannt, zum Theil von Lawas bewohnt, in deren Gebirgen viel Gold gefunden wird; der Tsaubwa hat 3000 Mann Hülfstruppen nach Ava zu stellen, ist aber auch China tributpflichtig; Kiang-Hung, an beiden Ufern des Mekhong, einer der bedeutendsten Shanstaaten, der jedoch weniger von Ava als vielmehr von China abhängt; chinesische Sitte u. Sprache herrschen unter den Vornehmen, chinesische Beamte übernehmen den jährlichen Tribut an Silber u. Thee. Dem Tsaubwa (der den Titel Tsenwi-fua führt) selbst sind wiederum zwölf kleinere Häuptlinge unterworfen. Die Hauptstadt Kiang-Hung liegt am Einfluß des Me-Ha in den Mekhong, zählt nur 2–3000 Ew. Ebenfalls ein Staat von Bedeutung ist Kiang-Tung, von dem wiederum mehrere kleinere Fürstenthümer abhängig sind u. das 30,000 Mann ins Feld stellen kann; das Contingent für Ava beträgt 5000 Mann; die Hauptstadt zählt etwa 8000 Ew; die Residenz ist von außen unansehnlich, im Innern aber reich ausgeschmückt; Kiang-khan, der östlichste Shanstaat, der mit Ava in Verbindung steht. Sämmtliche Shanstaaten, welche für Vasallen von Ava gelten, sollen zusammen ein Contingent von 91,147 Mann stellen; doch wird dasselbe nur im Nothfalle einberufen. Im ersten Birmanischen Kriege sandten sie ein Hülfscorps von 15,000 Mann, die jedoch 6. Nov. 1825 von der britischen Macht bei Prome eine vollständige Niederlage erlitten. Im letzten Birmanischen Kriege hatten die L. keine Hülfstruppen gestellt. Die Oberhoheit von Siam erkennen unter anderen folgende Staaten an: Zimme, mit den verbündeten Fürstenthümern Lapung (Labong) u. Lagong, zusammen 90–100,000 Ew.; früher war Zimme die Hauptstadt eines größeren Staates, der 57 ummauerte Städte umfaßte, die jedoch jetzt zum großen Theil in Ruinen liegen; Muang-Nanu. Muang-Phe, zwischen Zimme u. dem Mekhong; weiter östlich liegt Lantschian od. Lentschen, gegenwärtig der bedeutendste der südlichen Shanstaaten; Wintschian od. Tschandapooree etc. Über die von Annam abhängigen Fürstenthümer der Shan ist wenig bekannt; über die China unterworfenen s. Koschaupri. Vgl. Hannay, Sketch of the Shans, Kalk. 1847; Yule, On the geography of Burma and its tributary states im Journal of the R. Geogr. Soc., Bd. 27, 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 119-120.
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