Schlagintweit

[210] Schlagintweit, Hermann, geb. 13. Mai 1826, u. Adolf, geb. 9. Jan. 1829 in München, die Söhne des als Augenarzt u. durch Erfindung u. Verbesserung optischer Instrumente bekannten Rathes Joseph S. (gest. im August 1854 in München), studirten Naturwissenschaften u. stellten seit 1846 die umfassendsten physikalischen Untersuchungen der östlichen Alpen an; 1849 gingen sie von München nach Berlin, wo sie längere Zeit lebten, u. dann nach England; 1851 bereisten sie die westlichen Alpen, bestiegen zuerst den Monte-Rosa u. kehrten über Frankreich nach Deutschland zurück. In den folgenden zwei Jahren verweilte Adolf in den baierischen Alpen, Hermann dagegen blieb in Berlin u. hielt an der Universität Vorlesungen über Meteorologie u. physikalische Geographie. 1854 erhielten sie mit ihrem jüngeren Bruder, Robert, auf die Empfehlung A. von Humboldts hin den Auftrag, theils auf Kosten der Ostindischen Compagnie, theils mit Hülfe der vom König von Preußen gewährten Mittel eine 3–4jährige Reise nach dem Inneren Asiens zu unternehmen, um hauptsächlich das Himalayagebirge zu untersuchen. Die drei Brüder waren in England mit Instrumenten u. Apparaten aller Art auf das Beste ausgerüstet worden u. schifften sich am 20. Septbr. 1854 in Southampton ein. Über Alexandrien u. Suez gelangten sie am 26. Octbr. nach Bombay, von wo aus sie zum Theil vereint, zum Theil auch getrennt, die ganze Dekan-Landschaft durchzogen u. über Punah, Bellary, Bangalore im Febr. 1855 nach Madras u. von da nach Calcutta kamen. Nach kurzem Aufenthalt brachen Adolf u. Robert am 25. März 1855 auf, gingen über Patna, Benares, Allahabad, Futtyghur nach den nordwestlichsten der der britischen Krone gehörigen Himalayaprovinzen u. reisten über Almora u. Milum nordwärts zum Quellgebiete des Indus in Tibet. Die noch nie erreichte Höhe von 22,260 engl. Fuß übersteigend, gingen sie sodann südwärts über Massuri, Agra, Saugur u. Nagpur, u. Adolf gelangte bis zum Febr. 1856 in das Godawerythal nach Radschaymundry, Cocanada u. Pondicherry, während Robert sich nach Umercuntuk begab. Hermann S. war am 5. April 1855 von Calcutta aufgebrochen u. hatte sich nordwärts über Sanashygotta nach Dordschiling in Sikkim, begeben u. war von da aus nach Assam vorgedrungen. Dann vereinigten sich die drei Brüder in Simla, um wieder getrennt im Juni 1956 nach dem westlichen Himalaya u. Tibet vorzudringen; Hermann u. Robert durchforschten den Kuenluen u. gelangten nach Leb in Ladack u. von da über Karakorum nach Turkestan; Adolf drang dagegen nach dem oberen Indus vor, um das westliche Tibet od. Balti zu untersuchen. Im Decbr. 1856 waren die drei Brüder wieder zu Ramul-Pindi am Indus vereinigt, trennten sich aber sofort abermals. Adolf ging nach Peschawer, um dann nach Dera Ismael Khan zu gelangen, Hermann zog über Lahore nach Amballa u. Agra nach Patna in Bengalen u. begab sich im März 1857 von da[210] nach Katmandu in Nepal, um von hier aus Calcutta zu erreichen; Robert reiste südlich an den Fuß des Salzgebirges, erreichte Anfang Januar 1857 Multan, zog durch die Besitzungen des Khan von Bhaulpur u. erreichte im Februar 1857 Sakker u. hierauf Schwan am Indus, um von hier durch das Indusdelta zu Lande nach Bombay zu gehen. Hermann u. Robert kehrten im Juni 1857 nach Deutschland zurück (wo sie sich im Schloß Jägersburg bei Forchheim ankauften). Adolf aber blieb noch zu weiteren Forschungen in Indien, ging ohne sich von dem ausgebrochenen Seapoy Aufstand abhalten zu lassen über den Bara-Lachapaß nach Tibet, kam Anfang August in die Gegend von Yarkand u. einige Tage später nach Kashgar, wo er einem fanatischen Hordenführer der Moslems in die Hände fiel, welcher ihn als Beamten der Indobritischen Regierung hinrichten ließ. Die wissenschaftlichen Gebiete der Geognosie, Meteorologie u. Geographie sind durch die Brüder S. sehr bereichert worden. Ihre gemeinschaftlichen Untersuchungen haben sie in ihren Schriften: Untersuchungen über die physikalische Geographie der Alpen, Lpz. 1850; Neue Untersuchungen über die physikalische Geographie u. die Geologie der Alpen, ebd. 1854, u. Results of a scientific Mission to India and High Asia by Hermann, Adolphe and Robert de S., ebd. 1860 ff., 9 Bde., niedergelegt. Nach den von ihnen ausgeführten zwei Reliefs des Monte Rosa u. der Zugspitze wurden Photographische Karten (Berl. 1854) angefertigt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 210-211.
Lizenz:
Faksimiles:
210 | 211
Kategorien: