Suez

[68] Suez (Sues), 1) Stadt in Mittelägypten, liegt am nördlichen Ende des gleichnamigen Meerbusens, hat einen Hafen, wichtigen Transithandel, ist Station der Überlandpost u. hat regelmäßige Dampfschifffahrtsverbindung mit Bombay. Mit Alexandria ist S. über Kairo seit 1859 durch eine Eisenbahn verbunden, wodurch die Verbindung des Mittelmeeres mit dem Rothen Meere hergestellt ist; es zählt 12,000 Ew. Bis zur Entdeckung des Seeweges nach Ostindien war der Handel von S. viel bedeutender, doch hat er in der neueren Zeit seit Einführung der Dampfschifffahrten wieder sehr gewonnen u. wird vorausersichtlich, wenn erst der die gleichnamige Landenge durchschneidende Kanal vollendet sein wird, noch unberechenbar gewinnen; 2) Meerbusen von S., der nördlichste Meerbusen des Rothen Meeres, welcher sich einschneidet zwischen dem Peträischen Arabien u. Ägypten u. an seinem Nordende nur noch 16 Meilen von der Südküste des Mittelmeeres entfernt ist; 3) Landenge von S., das Bindeglied zwischen Asien u. Afrika, welches, zwischen dem Meerbusen von S. u. dem Mittelmeere gelegen, gegenwärtig zur Herstellung des sogenannten Suezkanals durchstochen wird. Die Landenge bildet eine natürliche Bodensenkung, welche sich im Allgemeinen nur 6–9 Par. Fuß, an der höchsten Stelle aber nur 37 Par. F. über den Meeresspiegel erhebt, u. hat genau eine Länge von 161/4 Meilen. Das Land[68] ist wüst u. sandig u. hat in der Mitte zwischen beiden Meeren den Timsahsee, von dem aus sich westlich eine ähnliche Einsenkung des Bodens, das Wadi Tumilat, bis zum Nildelta erstreckt. Südlich vom Timsahsee befindet sich das Becken der ausgetrockneten Bitterseen, nördlich davon der Menzalehsee; zwischen dem südlichsten Gliede des Menzaleh, dem Ballehsee u. dem Timsah, befindet sich die erwähnte höchste Bodenerhebung von 37 Fuß über den Meeresspiegel. Bei sehr hoher Anschwellung des Nils tritt bisweilen dessen Wasser durch das Tumilatthal bis in den Timsahsee u. sogar bis in die Bitterseen. Die Kanalisirung dieser Landenge ist die wichtigste geographische Frage der Gegenwart, denn für den großen Weltverkehr sind die Meere u. Meerengen die Brücken, sie bringen die Continente näher zusammen u. stellen die rasche Zwischenverbindung fernwohnender Völker her. Ein Schiffskanal zwischen dem Mittelmeere u. Rothen Meere wird die indische, chinesische, japanische Welt, Australien u. Polynesien, Ostafrika etc. mit ihren etwa 600 Mill. Bewohnern durchschnittlich um mindestens die Hälfte der Entfernung näher zu Europa bringen, als der bisherige Hauptverbindungsweg um das Cap der Guten Hoffnung es thut. Das Project der Anlage eines Schifffahrtskanals über die Landenge von S. ist schon seit den frühesten Zeiten u. von den größten u. berühmtesten Männern befürwortet, versucht u. zum großen Theil sogar ausgeführt worden. Bereits im 19. Jahrh. v. Chr. wurde die Anlage eines vom Nil nach dem Timsahsee u. von da nach dem Rothen Meere führenden Kanals von den Pharaonen begonnen, um 660 v. Chr. von Psammetich, sowie 510 von Darius Hystaspis fortgeführt u. von Ptolemäus Philadelphus 260 v. Chr. vollendet. Dieser Kanal scheint bis in die Zeiten der Khalifen in Ägypten (bis ins 8. Jahrh. n. Chr.) benutzt u. dann allmälig unbrauchbar geworden zu sein, sei es durch Versandung od. Vernachlässigung od. andere Ursachen. Zuerst erfaßte nun 1799 Napoleon die Idee der Wiederherstellung dieses Kanals wieder. Er ernannte eine Commission, welche den Isthmus nivellirte u. das Project untersuchte. Das Resultat dieser Untersuchungen war die Angabe, daß das Niveau des Rothen Meeres bei S. 30 Fuß höher sei als das des Mittelmeeres, ein Irrthum, der fast ein halbes Jahrhundert als unbestrittene Thatsache angesehen worden ist. Zuerst wurde 1840 gegen die Niveauverschiedenheit beider Meere ein Zweifel rege, besonders in Folge barometrischer Messungen englischer Offiziere, welche ein nahezu gleiches Niveau beider Meere ergaben. In Folge davon regte Fürst Metternich 1843 bei dem Vicekönig Mehemet Ali eine neue Vermessung des Isthmus an, welche auch wirklich 1847 durch Talabot, Bourdaloue, Stephenson, Negrelli u. Linant de Bellefonds (Linant Bey) ausgeführt wurde. Im I. 1853 folgte ein abermaliges Nivellement durch Linant Bey, welches, ebenso wie die Vermessung von 1847, das gleiche Niveau beider Meere bestätigte u. außer Zweifel stellte. Außerdem hatte sich ergeben, daß die durchschnittliche Höhe der gewöhnlichen Fluch bei S. 2 Fuß 51/2 Zoll (Par.) höher sei als bei Pelusium im Mittelmeere; ferner daß die Höhe der Äquinoctialspringfluth zu S. 7 Par. Fuß über das Ebbeniveau des Mittelmeers steige u. daß der niedrigste Ebbestand im Äquinoctium zu S. 11/2 Par. Fuß unter dem tiefsten Ebbeniveau zu Pelusium in derselben Zeit liege. Die geologische Beschaffenheit des Isthmus gehört nach diesen u. anderen Untersuchungen der Meeresbildung an. Die so überaus günstigen Ergebnisse dieser Untersuchungen veranlaßten 1854 den Vicekönig von Ägypten, Muhammed Said, F. de Lesseps zu berufen u. mit der Ausarbeitung eines Promemoria zu beauftragen. Wenige Wochen später, am 30. November 1854, erhielt sodann Lesseps einen Firman zur Concession des Kanalbaues u. zur Bildung einer Aktiengesellschaft. Für diese Acte sowohl, wie für die am 5. Jan. 1856 veröffentlichten Statuten der Actiengesellschaft war die Bestätigung des Unternehmens von Seiten der Pforte vorbehalten. Obgleich aber diese Bestätigung zurückgehalten wurde, trat das Unternehmen dennoch ins Leben. Die Actiengesellschaft führt den Titel: Compagnie universelle du canal maritime de S. u. erhielt ihr Privilegium auf 99 Jahre, nach welcher Zeit der Kanal an Ägypten fällt. Die Ländereien, welche die Compagnie auf dem Isthmus cultivirt, sind die ersten 10 Jahre abgabenfrei u. bleiben auch nach Ablauf des Privilegiums Eigenthum der Besitzer. Von der Regierung wird der Grund u. Boden unentgeltlich gewährt, ebenso dürfen die öffentlichen Steinbrüche ohne Entgelt benutzt, Maschinen u. Materialien jeder Art zollfrei eingeführt werden. Der Kanal soll allen Nationen u. zu allen Zeiten offen stehen gegen Erlegung eines Passagegeldes, welches nie 10 Franken pr. Tonne überschreiten darf. Ihren Sitz hat die Gesellschaft zu Alexandria, doch ihr Verwaltungsdomicil u. ihr Gerichtsforum zu Paris. Das Gesellschaftscapital beträgt 200 Mill. Fr. in 400,000 Actien (à 500 Fr,). An der Spitze der Compagnie steht ein Verwaltungsrath u. ein aus diesem gewähltes Directorium, an deren Spitze für die ersten 10 Jahre Lesseps steht. Von dem Ertrage der Passagegelder sollen 15 Proc. der ägyptischen Regierung u. 10 Proc. an die Begründer des Unternehmens gezahlt werden. Nachdem bei lebhafter Unterstützung des Unternehmens von Seiten Frankreichs u. Österreichs, trotz des Gegenstrebens Englands, die geforderte Summe zu Stande gebracht worden ist, hat man unter Lesseps seit 1858 mit dem Bau begonnen. Der Kanal soll 100 Metre breit u. 8 Metre tief werden u. wird eine Länge von 211/2 deutsche Meilen erhalten; Schiffe bis zu 2000 Tonnen Gehalt werden den Kanal noch passiren können. Der Timsahsee u. die Bitterseen sollen Bassins bilden, welche zugleich als Innerhäfen zu benutzen sind. Der Hafen von Suez wird sich auf eine weite u. sichere, jederzeit zugängliche Rhede öffnen, wo auf 1600 Metre vom Ufer 8 Metre Wassertiefe ist, während die gleiche Tiefe in dem Hafen, welche im Meerbusen von Pelusium angelegt wird, erst in einer Entfernung von 2300 Metre vom Ufer angetroffen wird. Die Ausschachtung des Kanals wird 171/2 Mill. Kubikmetre betragen. Die Dauer des Baues war ursprünglich auf 6 Jahre festgesetzt, doch dürften wohl einige Jahre mehr vergehen; zu Anfang 1863 war erst etwa der zehnte Theil des Baues vollendet. Vgl. Lesseps, Percement de l'Isthme de Suez, Par. 1855, 2 Bde.; Szarvady, Der Suezkanal, Lpz. 1859.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 68-69.
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