Schwungrad

[693] Schwungrad, 1) Maschinentheil zur Erzeugung einer gleichmäßigeren Bewegung bei Maschinen, an denen die Kraft od. die zu überwindenden Widerstände von veränderlicher Größe sind; dies ist der Fall, wenn die bewegende Kraft nur ruckweise wirkt, wie z.B. bei allen mittelst eines Druckhebels od. Fußtrittes in Bewegung gesetzten rotirenden Maschinen, also bei den Spinnrädern, Handmühlen, Schleifmaschinen, Drehbänken u. dgl.; ebenso wenn die Bewegung von einem Kolben durch eine Kurbel auf eine rotirende Welle übertragen wird, wie bei den meisten Dampfmaschinen; ferner wenn die Arbeitsverrichtung periodisch größer u. kleiner wird, wie bei Sägemühlen, Pumpwerken etc.; u. ganz bes. wenn wiederholte Stöße vorkommen, wie bei Hammer-, Walz- od. Pochwerken. Man benutzt dazu ein eigentliches Rad mit Speichen u. Felgen, S. im engern Sinne, od. eine massive Scheibe (Schwungscheibe), od. auf der Welle mittelst Armen befestigte, kugelförmige Körper (Schwungkugeln), od. Stöcke (Schwungstöcke), welche über das Kreuz durch eine Welle gehen u. an den vier Enden mit Gewichten (Schwunggewicht) versehen sind; diese letzte Vorrichtung nennt man auch Schwungflügel. Die Wirksamkeit des S-es beruht auf dem Gesetz der Trägheit, nach welchem jede in Bewegung befindliche Masse sich von selbst ununterbrochen mit derselben Geschwindigkeit fortzubewegen strebt, sofern nicht die der Bewegung entgegentretenden Widerstände die Bewegung verzögern u. schließlich ganz aufhören machen. In den Momenten nun, wo die treibende Kraft abnimmt od. der zu überwindende Widerstand (Arbeit) plötzlich wächst, widersetzt sich das S. infolge der ihm innewohnenden lebendigen Kraft einer plötzlichen u. merklichen Verzögerung der Bewegung; wenn dagegen die treibende Kraft wächst od. die Widerstände abnehmen, widersetzt sich das S. einer plötzlichen u. großen Beschleunigung der Bewegung. Das S. macht also den Gang der Maschine gleichmäßiger, indem es den Überschuß an bewegender Kraft gleichsam in sich aufnimmt u. für die Zeit des Mangels u. des Bedarfs aufspart. Mit Ausnahme eines kleinen Verlustes durch Reibung gibt das S. die ganze zu seiner Bewegung verwendete Leistung der Triebkraft wieder aus u. macht sie zur Arbeit verwendbar. Das S. ist um so wirksamer, je größer seine Masse, also auch sein Gewicht ist, u. je weiter dieselbe von der Drehachse entfernt ist, weil das Trägheitsmoment u. daher die zur Beschleunigung erforderliche Kraft mit dem Quadrate der Entfernung von der Drehachse wächst. Auch die Geschwindigkeit, mit welcher sich das S. bewegt, ist nicht gleichgültig, da mit ihrem Quadrate die lebendige Kraft u. daher auch die Wirkung des S-es wächst. Der Widerstand der Luft soll am S. möglichst gering sein, u. in dieser Beziehung sind die Schwungscheiben am vortheilhaftesten, Schwungflügel aber am ungünstigsten. Ferner hat man bei der Construction eines S-es darauf zu sehen, daß es in seinen Theilen fest genug ist, um die mit der Geschwindigkeit wachsende Centrifugalkraft aushalten zu können. Gewöhnlich stellt man die Schwungräder aus Gußeisen her u. sie bestehen dann aus dem Schwungringe, welcher aus dem Kranz u. den Felgen des Rades besteht u. die eigentliche Schwungmasse bildet, aus der Hülfe od. dem Wellkranze, womit das S. auf der Welle sitzt; u. aus den Radarmen, welche den Ring mit der Hülfe verbinden. Die Wirksamkeit des S-es ist bes. vom Schwungringe abhängig u. zwar nach dem Obigen von dem Gewichte des Schwungringes, von dem Quadrate des Ringhalbmessers u. von dem Quadrate der Winkelgeschwindigkeit der Schwungringwelle. Mit der Vermehrung des Gewichtes wächst die Reibung der Wellzapfen, mit der Vergrößerung des Halbmessers od. der Geschwindigkeit wächst die Centrifugalkraft u. der Luftwiderstand. Nach diesen[693] Andeutungen sind die Maßverhältnisse des S-es zu bestimmen. Die Arme macht man lieber bogenförmig als gerade, damit sie nicht beim Erkalten nach dem Gusse abspringen, od. eine nachtheilige Spannung erhalten. Den Querschnitt der Arme u. des Ringes macht man aus Rücksicht auf Festigkeit u. Luftwiderstand lieber elliptisch als kreisrund. Kleinere Schwungräder gießt man aus dem Ganzen; bei größeren gießt man den Ring u. die Arme zusammen u. die Hülfe od. Rosette für sich u. befestigt in ihr die Arme durch Schrauben; bei noch größeren gießt man Rosette u. die Arme für sich u. den Schwungring ebenfalls für sich, ja man stellt den letzteren bei sehr großen Schwungrädern aus mehrern einzelnen ringförmigen Felgen zusammen. Ganz bes. wichtig sind die Schwungräder für solche Arbeitsmaschinen, bei welchen die Geschwindigkeit nur in engen Grenzen sich ändern darf; wenn die Maschine ein gutes Fabrikat liefern soll, so darf bei Spinnmaschinen die mittlere Geschwindigkeit nur höchstens um ihren vierzigsten od. achtzigsten Theil zu- od. abnehmen, bei Walzwerken dagegen um 1/41/3. Wasserräder, die Läufer in Mühlen, Schleifsteine, Windmühlenflügel wirken als Schwungräder. 2) (Uhrm.), so v.w. Unruhe; daher Schwungradskloben, so v.w. Unruhkloben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 693-694.
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