Blausäure

[261] Blausäure (die), auch berliner Blausäure, preußische, thierische Säure, eines der stärksten Gifte, ist eine farblose, im reinsten Zustande gasförmige, aus Stickstoff, Kohlenstoff, oder vielmehr einer Verbindung dieser, dem sogenannten Cyan oder Blaustoff, und aus Wasserstoff bestehende, durch Vereinigung mit Wasser tropfbar werdende Flüssigkeit. Sie kommt im Pflanzenreiche, namentlich in den Blättern des Faulbaums, des Vogelkirschbaums, des Kirschlorbeers, der Pfirsich- und Aprikosenbäume, in den Pfirsichblüten und Pfirsichkernen, den bittern Mandeln, den Aprikosen- und Kirschkernen und in vielen ähnlichen Früchten vor, wo sie sich gewöhnlich durch einen, den bittern Mandeln ähnlichen Geschmack ankündigt; sie wird aber auch aus thierischen Stoffen gewonnen. Die Blausäure ist außerordentlich flüchtig, zersetzt sich besonders unter Einwirkung der atmosphärischen Luft und des Lichtes leicht und hat einen höchst durchdringenden, ebenfalls bittern Mandeln ähnlichen Geruch. Seinen Namen hat dieses Gift davon, daß es chemisch zuerst 1780 aus dem Berlinerblau (s.d.) hergestellt wurde. Es röthet, wie andere Säuren, Lackmuspapier, verbindet sich mit Metallen, Alkalien und Erden zu Salzen und leicht mit Wasser, außerdem auch mit Alkohol. Ihre Verbindung mit Wasser gibt die verdünnte Blausäure, welche in neuerer Zeit als ein nützliches Heilmittel bei Keuchhusten, Lungen- und Halsschwindsucht, langwierigem Husten, krampfhaften Zufällen aller Art u.s.w. von den Ärzten in kleinen Gaben angewendet wird. Dabei ist jedoch die größte Vorsicht nöthig, da sie in größern Gaben, rein oder auch verdünnt, äußerst schnell als Gift wirkt und oft augenblicklich nach dem Genusse tödtet. Ein Vogel stirbt schon von einem einzigen Tropfen gesättigter, wässeriger Auflösung derselben, ein Hund von acht Tropfen, der Mensch von einer verhältnißmäßig größern Menge, die aber je nach der vorausgegangenen Bereitungsart wechselt. Zuckungen, Starrkrampf, mühsames Athmen, Bewußtlosigkeit, endlich Lähmung des gesammten Nervensystems sind die Erscheinungen, unter welchen der Tod eintritt. Schnelle Entleerung des Giftes durch Brechmittel, dann zunächst die Anwendung von Alkalien oder ein starker Aufguß von Kaffee u.s.w. verhindern zuweilen den tödtlichen Ausgang, wenn Zeit zur Anwendung solcher Mittel da ist. Ist eine große Menge verschluckt worden, so gibt es kein bekanntes Rettungsmittel, da dieses Gift die Lebenskraft unmittelbar zu vernichten scheint und Thiere sogar durch bloße Berührung an feinen Hautstellen tödtet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 261.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: