Bordeaux

[297] Bordeaux, Hauptstadt des franz. Departements der Gironde, liegt halbkreisförmig am linken Ufer der unweit davon in den Meerbusen von Biscaya mündenden Garonne, [297] über welche eine 1812 begonnene, unter Ludwig XVIII. vollendete Brücke von 1700 F. Länge führt, und hat 109,000 Einw. Die innere Stadt ist alterthümlich gebaut, allein die Mauern und Thürme, welche sie noch in der Mitte des vorigen Jahrh. umgaben, sind seitdem verschwunden und die Vorstädte und die Umgebungen des von der Garonne gebildeten Hafens, welcher 1000 Seeschiffe fassen kann, zeichnen sich durch geschmackvolle Bauart, schöne öffentliche Plätze und Spaziergänge aus. Merkwürdige Gebäude sind die alte gothische Kathedrale, der alte Palast der Herzöge von Guyenne, der seit 1810 von Napoleon erbaute kön. Palast, die Börse u.s.w. B. ist der Sitz eines Erzbischofs, eines protestantischen Consistoriums, einer kön. Akademie der Wissenschaften, einer Akademie der Künste und mehrer anderer gelehrten Gesellschaften; auch befinden sich hier eine Gemäldegalerie, Kunst- und naturhistorische Sammlungen und neben vielen andern Bildungsanstalten auch eine Schiffahrtsschule. Als Handels- und Fabrikstadt gehört B. zu den wichtigsten in Frankreich, hält im März und Oct. zwei 14 Tage dauernde Messen, hat eine Bank, nimmt lebhaften Antheil am Walfisch- und Stockfischfang, versorgt einen Theil des Innern von Frankreich mit Colonialwaaren und führt allein fast so viel Wein und Branntwein aus, als das ganze übrige Frankreich. Es befinden sich daselbst große Zuckersiedereien, ferner Glas-, Papier-, Baumwollen-, Spitzenfabriken und wichtige Branntweinbrennereien; auch Korkschneiden, Böttcherei und Schiffbau gehören zu den wichtigsten Gewerben. B. war schon den Römern unter dem Namen Burdigala bekannt, wurde im 5. Jahrh. von den Westgothen erobert, im 8. von den Arabern, im 9. Jahrh. von den Normannen verheert und war später Residenz der Herzöge von Guyenne, mit welchem Lande es im 12. Jahrh. an England kam. Im 15. Jahrh. wurde es für immer mit Frankreich vereinigt, war während der Revolution von 1789 der Sitz der Girondisten (s.d.), wofür es von den Schreckensmännern viel leiden mußte, und erklärte sich am 12. März 1814 von allen franz. Städten zuerst für die Bourbons, da das seinen Handel beeinträchtigende Continentalsystem die Bevölkerung Napoleon abgeneigt gemacht hatte.

Unter Bordeauxweinen versteht man nicht allein die im Gebiete von B. erbauten, sondern auch die in der Provinz Guyenne wachsenden rothen und weißen Weine, die über B. in alle Theile der Welt abgesetzt werden. Vor anderthalb Jahren ist keiner dieser Weine genießbar und manche müssen viermal so lange lagern, auch bedürfen fast alle einer Zurichtung, damit sie sich halten und versendet werden können. Man unterscheidet ihrer Güte nach hauptsächlich drei Classen, nämlich Medoc, Graves, der seinen Namen von dem steinigen Boden hat, auf welchem er wächst, und gemeine Weine; von den erstern gibt es wieder mehre Unterabtheilungen. Von den rothen Sorten ist der Pontac, der Graves von den weißen Weinen der theuerste; die geringsten Sorten gehen meist nach Amerika, die besten nach England, und im Durchschnitt werden jährlich 200,000 Oxhoft über B. ausgeführt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 297-298.
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