Durst

[612] Durst bezeichnet das dem Menschen und den meisten Thieren eigenthümliche Gefühl im Munde und Schlunde, durch welches sich das mehr oder weniger gebieterische Verlangen, Getränke zu sich zu nehmen, ausdrückt. Dieses Verlangen nach Flüssigkeiten hängt wieder von dem mehr oder weniger bedeutenden Verluste daran ab, den der Körper durch das Leben selbst beständig erleidet und der ersetzt werden muß, wenn letzterer dabei bestehen soll. Durst ist daher ein gebieterischer Trieb der Selbsterhaltung, auch im mäßigen Grade ein lästiger Zustand und nicht, wie der Hunger, mit einer gewissen Annehmlichkeit verbunden, auch nicht so lange wie dieser auszuhalten. Er kündigt sich zuerst durch ein Gefühl von Unbehaglichkeit und Wärme im Schlunde an, das sich zu Trockenheit in der Mundhöhle steigert, wobei Gaumen, Lippen und Zunge etwas anschwellen; die Zunge klebt endlich gewissermaßen am Gaumen und alle zur Hervorbringung der Stimme nöthigen Bewegungen sind mehr oder weniger gehindert, das Gesicht nimmt einen andern Ausdruck an, die Haut wird trocken und heiß, der [612] Athem keuchend und es gesellt sich, wenn die Entbehrung alles Getränks auch jetzt noch fortdauert, die fürchterlichste Angst hinzu, der Durstende verliert sein freies Bewußtsein, beginnt zu rasen und verschmachtet auf eine elende Weise. Die nächste, unmittelbare Ursache des Durstes ist noch unbekannt, sein eigentlicher Sitz. jedoch wahrscheinlich in den Nerven des Schlundes und der benachbarten Organe, wie der des Hungers in den Magennerven. Dagegen gibt es eine Menge von Umständen, die seine Hervorbringung und größere oder geringere Heftigkeit bedingen. Bei Kindern z.B. ist der Durst während der ganzen Zeit des Säugens das einzige Gefühl, durch welches sich das Bedürfniß der Ernährung ausdrückt; Frauen dürften öfterer als Männer, und Personen von galligem, nervösem Temperament und trockner, reizbarer Körperconstitution wieder mehr, als Andere. In den heißen Tropenländern, in sandigen, trocknen, hochgelegenen Gegenden, in heißen, trocknen Sommern wird durch den größern Verlust des Körpers an flüssigen Bestandtheilen auch die Nothwendigkeit eines um so reichlichern Wiederersatzes derselben herbeigeführt, die sich eben durch stärkern Durst kund gibt; anstrengende körperliche Bewegungen, starker Schweiß, der Genuß gesalzener, gewürzter, erhitzender Speisen, starker Blutverlust, vieles Sprechen u.s.w. sind bekannte Ursachen des Durstes. Geringer zeigt sich derselbe bei Leuten höhern Alters und lymphatischen Temperaments, bei solchen, die an Verschleimung leiden, bei kalter und feuchter Witterung und bei dem Genusse milder Nahrungsmittel; bei einer unthätigen Lebensweise und Ruhe des Geistes und Gemüths. Getränke stillen den Durst um so schneller und vollständiger, je mehr sie wässerige Bestandtheile enthalten, und daher ist reines Wasser unter gewöhnlichen Umständen das beste Befriedigungsmittel desselben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 612-613.
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