Genf

[181] Genf (franz. Génève), Stadt und Canton in der Schweiz. Der Canton bildet die südwestl. Spitze der Schweiz und wird vom Waadtlande, Frankreich und Savoyen begrenzt. Er wird von der aus dem Genfersee sich ergießenden, östl. die Arve aufnehmenden Rhone durchschnitten, liegt zwischen dem Juragebirge im N. und den Alpen im S., und hat durchaus unebenen Boden. Das ganze Gebiet umfaßt nur 41/2 ! M., auf denen 56,000 Menschen wohnen, von denen 2/3 zur reformirten Kirche gehören und die größtentheils franz. sprechen. Ackerbau, Viehzucht, Fischerei und Weinbau sind die Hauptnahrungszweige, überdies gibt es aber auch viele ansehnliche Fabriken von Uhren, Metallwaaren, Zeuchen, Hüten, Leder u.s.w. Der Genfersee liegt nur dem kleinsten Theile noch im genfer Gebiete. Er umfaßt einen Flächenraum von 111/2 ! M., bildet einen großen Bogen und seine größte Breite beträgt 15/8 ! M., seine Länge 10 M. Obgleich er gegen 1150 F. über der Meeresfläche liegt, friert er doch niemals zu und enthält viele Fische, namentlich Lachsforellen. Seine größte Tiefe ist 950 F. Seine Ufer sind durch ihre Schönheit berühmt, am schönsten ist das nördl. trefflich angebaute Ufer um zahlreichen Ortschaften, welche häufig besucht werden und welche durch die den See befahrenden Dampfschiffe sehr an Lebhaftigkeit gewinnen. Die Verfassung des in sechs Bezirke getheilten Cantons G. von 1814 bestimmt allgemeine Gleichheit vor dem Gesetze, erkennt die Preßfreiheit an und gibt jedem Bürger, der 25 Jahre alt ist und 20 Schweizerfrancs jährliche directe Abgaben zahlt, Wahlrecht. Ein Repräsentantenrath von 276 Mitgliedern und ein Staatsrath von 29 Mitgliedern, unter denen vier Syndici, haben der erstere die gesetzgebende, der letztere die vollziehende Gewalt. Das Bundescontingent des Cantons beträgt [181] 880 M. und 23,000 Fr. Geldbeitrag. – Die Hauptstadt G., mit 28.000 Einw., liegt in einer herrlichen Gegend am Austritt der Rhone aus dem Genfersee. Die drei Theile, in welche die Stadt durch den Fluß zerlegt wird, stehen durch zwei Brücken in Verbindung. Das weitläufige Rathhaus, die im altdeutschen Styl erbaute Peterskirche, das große Kornmagazin, das Schauspielhaus sind ansehnliche Gebäude. Die alten weitläufigen Festungswerke haben ihren Zweck verloren. Die Universität zu G. wurde 1368 gestiftet, 1538 durch Calvin und Beza erneuert. Zu ihr gehören eine Sternwarte, ein naturhistorisches Museum, ein physikalisches Cabinet, eine Bibliothek u.s.f. Sehenswerth ist das nach dem Muster des Strafhauses zu Neuyork errichtete Arbeits- und Besserungshaus. Die bedeutendsten Plätze in G. sind der Molard, Le Bourg de Four und der St.-Petersplatz. G. zeichnet sich durch regen Sinn seiner Bewohner für Kunst und Wissenschaft, sowie durch Gewerbthätigkeit aus. Am stärksten wird die Verfertigung der Bijouterien und Uhren betrieben, sodaß gegenwärtig noch gegen 3000 Arbeiter (früher gegen 6000) mit Uhrmacherei beschäftigt sind. – G. gehörte im 5. Jahrh. zu Burgund, kam dann an die Franken und unter Kaiser Konrad II. zum deutschen Reiche. Die Grafen von G., welche seit dem 9. Jahrh. vorkommen, widersetzten sich den Kaisern und diese legten ihr Oberherrlichkeitsrecht in die Hände des aus den ältesten Zeiten in G. residirenden Bischofs. Die Bischöfe und die Grafen, deren Rechte und Besitzungen endlich an Savoyen übergingen, kämpften lange um die Oberherrschaft. Die Stadt G. erhielt unter dem Bischof ihre Unabhängigkeit und erlangte vom Kaiser Sigismund Bestätigung ihrer Rechte. Mit Bern und Freiburg trat G. 1478 in Bündniß zur Sicherung gegen Savoyen und auch vom Bischof machte es sich 1533 durch Annahme der Reformation unabhängig. Savoyen machte 1602 noch einen Versuch, sich der Stadt zu bemächtigen, mußte jedoch 1603 seinen Ansprüchen auf G. förmlich entsagen, und G. wurde im Bündnisse mit Bern und Zürich als zugewandter Ort der schweiz. Eidgenossenschaft gerechnet. Misbräuche, die sich in Menge in die veraltete Verfassung G.'s eingeschlichen hatten, brachten im 18. Jahrh. Unzufriedenheit und Parteiungen hervor, welche 1787 zu einem Ausbruche kamen, der zwar namentlich durch den Einfluß Frankreichs zu Gunsten der alten Verfassung entschieden wurde, aber keine Beruhigung der Gemüther zur Folge hatte. G. nahm Antheil an der revolutionnairen Aufregung Frankreichs; 1798 besetzten franz. Truppen die Stadt, und bald darauf wurde G. dem franz. Reiche einverleibt. Bei diesem blieb es bis 1813, wo es sich an die Verbündeten gegen Frankreich ergab, und seit 1814 bildet es einen Canton der Eidgenossenschaft.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 181-182.
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