Manichäer

[44] Manichäer wird eine christliche Sekte genannt, welche im 3. Jahrh. n. Chr. durch den Perser Manes oder Mani entstand, der nach arab. Nachrichten in einer Magierfamilie [44] (s. Magier), nach Andern als Sklave geboren wurde, jedoch durch seine Talente und körperlichen Vorzüge die Gunst seiner Herrin so sehr gewann, daß sie ihm die Freiheit gab, ihn von den Magiern unterrichten ließ und zu ihrem Erben einsetzte. Im männlichen Alter trat er selbst als Lehrer auf, ohne daß jedoch seine Lehre etwas Anderes, als eine abenteuerliche Verschmelzung und Ausschmückung der altpersischen von zwei obersten, voneinander unabhängigen Grundwesen aller Dinge, einem guten und einem bösen (s. Zoroaster), und anderer philosophischer und christlicher Ideen war. Gleichwol erlangte er einen solchen Ruf der Weisheit und Wunderthätigkeit, daß ihm am Hofe des Königs Sapor von Persien die Heilung des erkrankten Sohnes desselben anvertraut wurde. Da dieser aber unter seinen Händen starb, mußte Manes im Kerker büßen und ward nach einem vergeblichen Versuch zur Flucht, nach Andern, indem er nach erlangter Freiheit die Christen auf pers. Gebiet für seine Lehre zu gewinnen strebte, um 277 auf Befehl des Königs Varacces hingerichtet. Gegen seine christl. Zeitgenossen gab sich Manes für den von Jesu seinen Jüngern verheißenen Paraklet, d.i. Tröster und Lehrer, aus, und benutzte die geeigneten Stellen des N. T., z.B. jene von guten Bäumen, welche gute Früchte und von schlechten Bäumen, welche schlechte Früchte tragen, zur Auslegung nach seinen dualistischen (s. Dualismus) Ansichten. Als Unterstützung des guten Grundwesens der Dinge nahm Manes zwei anfängliche Ausflüsse desselben, den Geist und Sohn, an, Christus aber wurde nach ihm nicht Mensch, sondern was von seinem Menschenleben im N. T. enthalten ist, sollte nur Schein und blos sinnbildlich zu nehmen sein; das A. T. verwarf er ganz. Obgleich nun seine Lehre der gesunden Vernunft und dem Christenthum entgegen war, fand sie doch zahlreiche Anhänger, aus denen, anfänglich in Form eines Geheimbundes, die Sekte der Manichäer entstand, welche sich in zwei Classen, die Hörer und die Auserwählten, theilte. Die Ersten wurden nicht in die ganze Geheimlehre eingeweiht, mußten sich aber auch des Weins und Fleisches und anderer Genüsse enthalten und durch ihre Arbeit die Auserwählten ernähren, welche sich auf das strengste jeder Üppigkeit, auch der Ehe, des Krieges, der Arbeit, jeder Beschädigung der Pflanzenwelt und selbst des Pflückens der Baumfrüchte, sowie des Tödtens der Thiere, Ungeziefer ausgenommen, zu enthalten und ihr Leben in frommen Betrachtungen zu verbringen hatten. Zwölf derselben waren als Apostel oder gleich Meistern ausgezeichnet; Manes aber und nach seinem Tode ein Dreizehnter, war das Oberhaupt Aller. Den Gemeinden standen Bischöfe vor, die Taufe aber wurde meist im reifern Alter vorgenommen, das Abendmahl ohne Wein gefeiert und von christlichen Festen blos der Sonntag und das Gedächtniß des Todes Jesu begangen. Um die Mitte des 4. Jahrh. hatten sich die Manichäer aus Persien bis nach Italien und Nordafrika verbreitet, wurden jedoch hier im 5. Jahrh. von den Vandalen, und im röm. Reiche, obgleich sie für Christen gelten wollten und sich durch Sittenreinheit auszeichneten, als Ketzer von christlichen Kaisern und von den Bischöfen verfolgt und ausgerottet, sodaß sie im 6. Jahrh. nur im Geheim noch bestanden oder im heidnischen östl. Asien eine Zuflucht gefunden hatten. Später traten sie zwar unter andern Namen hier und dort wieder auf, oft aber wurden für ketzerisch geltende Personen und Vereine im Mittelalter nur darum Manichäer genannt, um sie dem Hasse des Volks preiszugeben. – In der Studentensprache und sonst ist der Name Manichäer eine spöttische Bezeichnung dringend mahnender Gläubiger geworden.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 44-45.
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