Mazarin

[89] Mazarin (Jules), Cardinal und franz. erster Minister während der Minderjährigkeit und dem ersten Jahrzehend der Regierung des unter seiner Oberaufsicht erzogenen Königs Ludwig XIV., ward 1602 zu Piscina in den Abruzzen von adeligen Ältern geboren und begleitete in sehr frühem Alter den Cardinal Geronimo Colonna nach Spanien, wo er die damals ausgezeichneten Hochschulen zu Alcala de Henares und Salamanca besuchte. Nach seiner Rückkehr nach Rom verkehrte er viel mit den Jesuiten, trat endlich in päpstl. Kriegsdienste, wurde Hauptmann und wiederholt bei Unterhandlungen des päpstl. Hofes mit Spanien, Frankreich [89] und Savoyen, namentlich auch zur Beilegung des mantuanischen Erbfolgekriegs (s. Mantua) verwendet. Noch in dem Augenblicke, wo die span. und franz. Truppen ein Treffen begannen, brachte er 1630 durch seine Entschlossenheit den vorläufig unterhandelten Waffenstillstand zur Geltung, indem er sich mit dem Rufe »Friede!« zwischen die Streitenden stürzte, und der hierauf 1631 zu Cherasco geschlossene Friede war hauptsächlich sein Werk. M. hatte dadurch Ludwig XIII. und seines ersten Ministers, des Cardinal Richelieu, Aufmerksamkeit erregt. Letzterer erkannte sogleich dessen ausgezeichnete Fähigkeiten, gewann ihn für das franz. Interesse, und nachdem er die Ernennung des bisherigen Abbate M. zum Vicelegaten des Papstes zu Avignon vermittelt, brachte er ihn 1639 ganz an den franz. Hof, wo er eine Stelle im Staatsrath erhielt und sich bei allen Verhandlungen so nützlich machte, daß ihn der König 1641 vom Papst Urban III. zum Cardinal erheben ließ. Nachdem Richelieu 1642 und Ludwig XIII. 1643 gestorben waren, ernannte ihn die während der Unmündigkeit des fünf Jahre alten Ludwig XIV. mit der Regentschaft bekleidete Königin Witwe Anna von Östreich, deren Vertrauen M. längst im Geheim besaß, zum Erstaunen seiner Nebenbuhler und Neider zum ersten Minister. So anspruchslos er in dieser Würde auftrat, so rasch bildete sich doch eine mächtige Partei gegen den gehaßten Ausländer an der Spitze der Regierung, allein auch mit gegen den Hof selbst. Jedes Mittel ward ergriffen, den Cardinal herabzusetzen, das Volk seufzte ohnedies unter dem Druck schwerer Auflagen und die Willkür, mit welcher der Hof das Parlament behandelte, brachten endlich eine Empörung (s. Fronde) zuwege, in deren Folge im März 1651 M. vom Parlamente aus dem Reiche verbannt wurde. Allein auch im Auslande regierte M. durch seinen Einfluß und seinen Rath, warb sogar für die Königin fremde Söldner und kehrte 1652 mit 7000 M. auf Befehl des Königs, der indeß die Regierung selbst angetreten hatte, nach Paris zurück. Sogleich erhob sich das Parlament wieder gegen ihn und ein neuer Aufruhr vertrieb M. abermals vom Hofe, wohin ihn aber nach hergestellter Ruhe 1653 der König zurückrief. Er hielt einen triumphirenden Einzug in Paris, bekam eine Compagnie Garde als Leibwache und alle Großen, die Gesandten und das Parlament sogar buhlten nun um seine Gunst. Die Ruhe im Innern ward jetzt völlig hergestellt, der seit 1635 mit Spanien geführte Krieg nachdrücklicher geführt und deshalb auch mit Cromwell (s.d.) ein Bündniß geschlossen, endlich aber durch den pyrenäischen Frieden im Nov. 1659 beendigt, der als Meisterstück von M.'s Unterhandlungskunst gilt. Diesem folgte die Vermählung Ludwig XIV. mit Maria Theresia, Infantin von Spanien, bei welcher Gelegenheit M. selbst am nachdrücklichsten auf Entfernung seiner Nichte Maria Mancini drang, welcher der König leidenschaftlich zugethan war. Bald darauf starb M. im März 1661 und hinterließ Frankreich im Innern ruhig und vom Auslande gefürchtet, auf dessen Kosten er sein Gebiet wesentlich vergrößert hatte. Sein ungeheures Vermögen, das freilich nicht blos auf rechtlichem Wege erworben war und mit dem er zur Beruhigung seines Gewissens nicht lange vor seinem Tode in der auch gerechtfertigten Erwartung dem König ein Geschenk machte, daß er es ihm alsbald zurückgeben werde, fiel größtentheils dem mit einer von M.'s Nichten vermählten Marquis La-Meilleraie zu, der den Titel eines Herzogs von Mazarin annahm. Von Person und Benehmen war M. sehr einnehmend, hatte eine röm. Nase, große, glänzende Augen und trug nach damaliger Sitte einen kleinen Schnurbart, sowie einen Bart am Kinn, der seinem Gesicht ein längeres Ansehen gab, dessen Ausdruck jedoch im Alter wegen seiner außerordentlichen Abmagerung etwas Unheimliches erhielt.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 89-90.
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