Messe

[119] Messe (lat. missa) hieß zuerst in der röm. Kirche die gesammte Abendmahlshandlung mit allen sie umgebenden Ceremonien und erhielt diesen Namen, als im 4. Jahrh. die Feier des Abendmahls nach dem gewöhnlichen Gottesdienste für sich vorgenommen und Denen, welche zur Theilnahme nicht geneigt oder berechtigt waren, durch den Ausruf des Kirchendieners: ite, missa est (gehet, sie ist entlassen, nämlich die Versammlung) angekündigt wurde, damit sie sich entfernten. Aus Misverständniß ward nun die folgende Handlung selbst missa und verunstaltet Messe geheißen. Mit der Entstehung dieses Namens erlitt auch das Abendmahl in seiner Grundansicht als religiöses Erweckungs- und Erbauungsmittel eine gänzliche Veränderung, indem man dasselbe als ein wirkliches Opfer betrachtete, das durch die Hand des Priesters in dem geweihten Brot und Wein als wahrhaftiger Leib Christi, zur Versöhnung der Welt Gott ebenso dargebracht würde, wie sich einst Christus selbst am Kreuze dargebracht hatte. Seine Wirkungen erstreckten sich nun nicht blos auf die Christen, welche daran Theil nahmen, sondern auch auf die als bloße Zuschauer Gegenwärtigen, und die Ceremonie konnte auch zum Vortheil Abwesender und Verstorbener unternommen werden. Dadurch entstanden wieder verschiedene Arten der Messe, die sich durch die Zahl der bei den Ceremonien mitwirkenden Geistlichen und Kirchendiener und die überhaupt dabei beobachtete größere oder geringere Feierlichkeit auszeichnen. So gibt es hohe und feierliche Messen, welche vor einer ganzen Versammlung begangen werden und wenn Musik dabei stattfindet, gewöhnlich Hochamt genannt werden, und niedere, d.h. weniger feierliche und stille Messen, mit welchen der Priester unter dem Beistande eines einzigen Altargehülfen, Meßners oder Meßdieners, seine eigne Erbauung bezweckt Die Todtenmessen, lat. missa pro defunctis, und Seelenmessen (s. Exequien) haben den besondern Zweck. die Seelen der Gestorbenen dem Fegefeuer zu entreißen oder ihre Pein zu lindern, und waren sonst gewöhnlich mit Vermächtnissen der Verstorbenen an die Kirche verbunden. Die trockene oder kahle Messe wurde auf offener See gehalten und so genannt, weil man den Kelch wegließ, damit nichts durch die Bewegung des Schiffs von dem geweihten Weine verschüttet werde. Durch den Ausdruck Messe lesen wird schlechthin die Abhaltung der ganzen Meßceremonie bezeichnet, obwol derselbe nur auf einen einzelnen Theil derselben, auf das bei der Einsegnung des Brots und Weins gesprochene Gebet sich bezieht. Die Messen sind endlich auch nach den Festen verschieden, an denen sie gefeiert werden und das Meßbuch oder Missale er theilt über die dabei zu beobachtenden zahlreichen Gebräuche ausführliche Anweisung und enthält alle dabei in Betracht kommenden lat. Gebete und Gesänge. In der röm. Kirche besteht die Feier der Messe aus drei wesentlichen Haupttheilen: dem Offertorium oder der Opferung, der Consecration oder Einsegnung und Wandlung der Hostie und des Weins, welche der Priester genießen soll; der Sumtion oder dem Genusse des geweihten Brots und Weins. Diese Haupttheile sind aus kürzern und längern Gebeten, Gesängen, Lesestücken aus der h. Schrift und zahlreichen Ceremonien zusammengesetzt, welche sich, da die Messe zugleich eine sinnbildliche Vorstellung des Leidens Jesu sein sollte, auf die vorzüglichsten Umstände desselben beziehen. Die Kleider, deren sich die Geistlichen beim Messelesen bedienen und die in Stoff und Zuschnitt nach dem Range der Geistlichen und der Beschaffenheit der Messe verschieden sind, heißen Meßgewänder, sind oft mit Gold, Silber und Edelsteinen prächtig verziert und vom ersten Advent bis zum Christabend und in der Fastenzeit violett, vom Christabend bis nach Epiphanias weiß, dann bis zum Sonntag Septuagesima grün, vom Pfingstheiligabend bis folgenden Sonnabend und an den Festen der Apostel und Märtyrer roth mit Ausnahme des Johannisfestes, endlich am Charfreitage, bei den Seelenmessen und am sechsten Wochentage schwarz. Auf die musikalische Composition der während feierlicher Messen zu singenden Worte ist ebenfalls die Bezeichnung solcher Tonstücke als Messe und Missa übergegangen. Die Einrichtung der Messe in der griech. Kirche ist von der in der röm. verschieden, von der übrigens nicht zu leugnen ist, daß die Menge der dabei beobachteten Ceremonien geeigneter bleibt, die sinnliche Unterhaltung des Menschen eher in Anspruch zu nehmen, als seine geistige Erweckung und Erhebung zu erregen, da die dabei vorkommenden lat. Worte und Gesänge immer nur für Wenige verständlich sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 119-120.
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