Seckendorf [2]

[147] Seckendorf (Friedr. Heinr., Reichsgraf von), kais. östr. Feldmarschall, wurde 1673 zu Königsberg in Franken geboren, von seinem Oheim Veit Ludw. v. Seckendorf (s.d.) erzogen und studirte 1688–92 die Rechte zu Jena, Leipzig und Leyden. Er war der Erbe seines Oheims und trat 1693 in das engl.-holländ. Heer, schon im folgenden Jahre aber in das Reichsheer. Während des span. Erbfolgekrieges trat er mit den anspach. Truppen in holländ. Sold und zeichnete sich aufs vortheilhafteste aus, wie er denn in der [147] Schlacht bei Hochstädt als Dragoner-Oberstlieutenant mit seinen Dragonern allein 16 Fahnen erbeutete. Es wurde ihm hierauf als Oberst ein Infanterieregiment übergeben, und er fuhr fort sich hervorzuthun. Er ging indeß 1708, weil er sich vernachlässigt glaubte, in die Dienste des Königs August II. von Polen mit der Würde eines Generalmajors. Er wirkte als poln. Gesandter im Haag 1713 zur Abschließung des utrechter Friedens mit, wurde hierauf Generallieutenant und 1716 kais. Generalfeldmarschall. Als solcher focht er zuerst unter Eugen bei Belgrad, dann 1719 in Sicilien, welches er nöthigte, mit Sardinien sich dem Kaiser zu unterwerfen. Im J. 1719 wurde er zum Reichsgrafen und 1721 zum kais. Feldzeugmeister ernannt, ihm auch erlaubt, das ihm von König August angetragene Gouvernement von Leipzig zu übernehmen. Er verwaltete dasselbe fünf Jahre und ging in Aufträgen des Kaisers 1726 nach Berlin, wo er den preuß. König bewog, dem hanöv. Bündniß zu entsagen, die pragmatische Sanction anzuerkennen und dem Kaiser ein Hülfsheer von 10,000 M. zuzusagen, falls er angegriffen würde. Ebenso thätig zum Vortheil des Kaisers wirkte er an den meisten andern deutschen Höfen, in Dänemark und bei den Generalstaaten. Die Angelegenheiten der poln. Erbfolge, nach August's Tode, hätten aber beinahe alle bisherigen Anstrengungen S.'s zunichte gemacht, um so mehr, da der Kaiser an Geld und Heeresmacht Mangel litt. Dennoch gelang es S. 1734 das Reichsheer zusammenzubringen. Im bald erfolgten Frieden mußte Östreich Neapel und Sicilien aufgeben. Aus Verdruß hierüber stand S. im Begriff, sich in den Privatstand zurückzuziehen, doch der Ausbruch eines neuen Krieges mit den Türken machte ihn unentbehrlich. Der sterbende Prinz Eugen hatte selbst gerathen, ihm den Oberbefehl zu geben. Obschon S. mit einem entmuthigten Heere unter den schwierigsten Verhältnissen Vortheile errang, so gelang es doch einer ihm als Protestanten und Ausländer entgegenstrebenden Partei, ihn zu stürzen. Man rief ihn ab, brachte ihn nach Gräz und hielt ihn länger als zwei Jahre in Gefangenschaft. Maria Theresia setzte ihn jedoch wieder in Freiheit und bestätigte ihn in allen seinen Würden. Da sie ihn jedoch ohne Anstellung ließ, so diente er dem neuen Kaiser Karl VII. mit Auszeichnung. Als der Kaiser gestorben war, bemühte sich S. eifrig, dessen Sohn mit Östreich auszusöhnen, und bewirkte den Frieden zu Füssen. Kaiser Franz I. bestätigte ihn in allen seinen Ehren; aber S. zog sich von dem öffentlichen Schauplatz zurück und wollte in häuslicher Ruhe sein Leben beschließen. Noch einmal erfuhr er eine Widerwärtigkeit des Schicksals, indem der gegen ihn gereizte König Friedrich II. ihn 1758 zu Meuselwitz arretiren und nach Magdeburg bringen ließ, weil er ihn beschuldigte, einen gefährlichen Briefwechsel mit Östreich unterhalten zu haben Nachdem er ein halbes Jahr in Gefangenschaft gehalten worden war, ließ man ihn wieder frei, und er begab sich nun seiner Sicherheit wegen nach Franken. Er kehrte 1760 nach Meuselwitz zurück und starb daselbst 1763. S. war ein ausgezeichneter Feldherr und noch größer als Staatsmann. Eifrig bemüht, das Ansehen des Kaisers in Deutschland aufrechtzuhalten, und dieses wahrhaft patriotische Interesse mit Beiseitsetzung aller Nebenrücksichten verfolgend, hat er sich den Haß vieler Parteien zugezogen, welche bemüht gewesen sind, sein Gedächtniß zu verunglimpfen, wie sie schon während seines Lebens ihm entgegenarbeiteten. Funfzig Jahre lang war er die Seele fast aller Unterhandlungen über das Wohl Deutschlands, ja Europas, und wahrscheinlich wäre das deutsche Reich schon viel eher in sich zusammengebrochen, wenn nicht S. durch Klugheit und Muth die so verschiedenartigen Bestandtheile desselben immer wieder zu vereinigen verstanden hätte. Vgl. Theresius von Seckendorf's »Versuch einer Lebensbeschreibung des Feldmarschalls von Seckendorf« (4 Bde., Lpz. 1792–94).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 147-148.
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