Verwaltung

[599] Verwaltung oder Administration. Im gewöhnlichen Leben versteht man darunter die Leitung und Beaufsichtigung eigner oder fremder Angelegenheiten und Geschäfte. Die Befugniß dazu kann Jemand durch Privatübereinkunft, durch das Gesetz oder richterlichen Ausspruch ertheilt werden. In der Regel steht es Jedem frei, der Verwaltung seiner eignen Angelegenheiten selbst vorzustehen oder sie Andern zu übertragen, was besonders mit der von Grundstücken, Häusern und ländlichen Besitzungen zu geschehen pflegt. Bei der Landwirthschaft versteht man daher auch unter einem Verwalter (mitunter auch Inspector, Wirthschaftsdirector u.s.w.) einen der Sache kundigen Mann, welcher ein Gut im Auftrage des Pachters oder Besitzers (seines Principals) bewirthschaftet und in Hinsicht seiner Dienstverhältnisse von Letzterm mehr oder weniger abhängig ist. Das Nähere dieser Verhältnisse wird von den darüber zwischen Verwalter und Principal getroffenen Verabredungen beurtheilt, über die gewöhnlich ein schriftlicher Contract ausgefertigt wird. Zu den Verwaltungsrechten, welche kraft gesetzlicher Befugniß ausgeübt werden, gehört das des Vaters über das Vermögen seiner Kinder, das des Vormundes über das Besitzthum seiner Mündel, das des Ehemannes über das Vermögen seiner Frau. Über das Vermögen eines Wahnsinnigen, eines Verschwenders, eines Abwesenden, eines in Concurs Verfallenen u. A. kann durch richterlichen Ausspruch ein Curator bestellt [599] werden und die Pflichten desselben sind in allen solchen Fällen von den Gesetzen genau bestimmt. Im Allgemeinen ist jeder Verwalter verbunden, mit Sorgfalt und nach besten Kräften für die Erhaltung und möglichst zweckmäßige Benutzung des ihm anvertrauten Guts zu sorgen und durch seine Nachlässigkeit entstandene Schäden zu ersetzen, hat dagegen aber auch auf Vergütung Dessen Anspruch, was zum Besten der Verwaltung von ihm aus eignen Mitteln zweckmäßig aufgewendet worden ist. In staatsrechtlicher Bedeutung versteht man unter der Verwaltung und Administration so viel wie Staatsverwaltung, also die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten eines Landes, im engsten Sinne aber blos den Wirkungskreis der Regierung, welcher der Justiz- oder Rechtspflege (s. Staat) entgegengesetzt ist. Zu diesen gehören z.B. Kirchen- und Schulwesen, die Policei-, Finanz-, Kriegs- und auswärtigen Angelegenheiten, ja sogar ein Theil der Rechtspflege, da die richterliche Gewalt strenggenommen nur auf das Aussprechen Dessen zu beschränken ist, was in einem bestimmten Falle Rechtens ist und den Gesetzen des Staates und den allgemeinen, in der Vernunft begründeten Rechtswahrheiten gemäß geschehen muß. Daher gehört auch die Gesetzgebung keineswegs zur Justizpflege, sondern steht über dieser und der Verwaltung, welche beiderseits von ihr vorgeschrieben bekommen, an was sie in vorkommenden Fällen sich zu halten haben. Die Verhältnisse aber, in welchen die Verwaltung zu der richterlichen Gewalt im Staate steht, machen einen der wichtigsten Theile des öffentlichen Rechts aus. Während nämlich die richterliche Wirksamkeit ohne Ansehen der Person nicht blos für Vornehme und Geringe, sondern auch für Gute und Böse, eine völlig gleiche Gerechtigkeit handhaben, dem Bösewichte wie dem Biedermann zu seinem Rechte verhelfen und dabei keine Rücksichten auf Schaden oder Nutzen für den Staat nehmen soll, ist der oberste Grundsatz der Verwaltung das Gesetz der Zweckmäßigkeit und Klugheit; ihre Maßregeln werden hauptsächlich von der Rücksicht auf das Wohl des Staats bestimmt. Daraus ergibt sich denn, daß die Verwaltung nach ganz andern Grundsätzen handelt wie die Justizbehörden, und zugleich das Rathsame, ja Nothwendige einer Trennung beider Functionen. Die Foderung der Theorie hat auch in neuerer Zeit beinahe in allen wohlgeordneten Staaten ihre mehr und weniger vollständige Verwirklichung gefunden. Während früher die Gerichte erster Instanz wenigstens allerlei Verwaltungssachen, namentlich Policei- und Steuersachen mit zu besorgen hatten, und darunter die Rechtspflege vielfach leiden mußte, sind ihnen jetzt nur wenige und mit ihrem Amte weniger unverträgliche Verwaltungsgeschäfte zugewiesen, wie das Vormundschafts- und Hypothekenwesen und die sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit. Die Justizministerien sind keine richterlichen Behörden und die ihnen obliegende Überwachung der Rechtspflege steht ihnen mit Recht als Verwaltungssache zu. Durch jene Trennung von Justiz und Administration ist aber ein Mittelding von beiden, die sogenannte Verwaltungs- oder Administrationsjustiz, entstanden, welche bei Gelegenheit von Verwaltungsmaßregeln entstandene Rechtsstreitigkeiten entscheiden soll. Zu Gunsten derselben wird angeführt, daß dergleichen Streitigkeiten eine schnellere Erledigung fodern, als der gewöhnliche Proceßgang gewährt und dazu dem ordentlichen Richter selten eigne, sachverständige Einsicht und Kenntniß nothwendig sind. Dieser Mangel hätte jedoch durch Zuziehung von Sachkundigen gehoben werden können und hinsichtlich des Verfahrens ist der Richter ja auch in vielen andern Streitigkeiten an eine raschere Procedur gebunden, daher auch jene ihm zugewiesen werden könnten. Jedenfalls erscheint nothwendig, wenn die Verwaltungsjustiz nicht einseitig und willkürlich entscheiden und im öffentlichen Vertrauen verlieren soll, daß den Verwaltungsbeamten dazu unabhängige Richter beigeordnet werden. Da die Verwaltungs- und Justizsachen nicht immer unzweifelhafte Merkmale besitzen und oft schwierig zu charakterisiren sind, so erheben sich darüber, welcher Behörde die Entscheidung einer Sache zustehe, häufig Meinungsverschiedenheiten. Die Schlichtung solcher Streitigkeiten scheint am zweckmäßigsten auf die neuerlich in Sachsen eingeführte Art zu bewirken, wo dazu eine besondere, aus höhern Justiz- und Verwaltungsbeamten bestehende Behörde errichtet ist, deren Entscheidung sich alle Betheiligte zu unterwerfen haben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 599-600.
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