Welfen

[688] Welfen oder Guelfen heißt ein altes und berühmtes Fürstenhaus, dessen zuverlässige Geschichte mit dem 9. Jahrh. in der letzten Zeit Karl des Großen anhebt und das in den beiden Linien des Hauses Braunschweig noch auf den Thronen von Großbritannien, von Hanover und von Braunschweig fortblüht. Als Stammvater der ältern welfischen Linie wird Welf I. angeführt, welcher ein Sohn von Isenbard, angeblichem Grafen von Altorf in Schwaben und Sohn des Majordomus Karlmann's, Warin, und Karl des Großen Schwester Irmentrud, gewesen sein soll. Er war Zeitgenosse Karl des Großen, besaß in Baiern und Schwaben ansehnliche Güter und hatte einen Sohn Ethiko, welcher ihn beerbte, und eine Tochter Judith, welche Kaiser Ludwig des Frommen Gemahlin wurde. Ethiko's Sohn Heinrich vermehrte die Besitzungen seines Hauses und stiftete das später Weingarten geheißene Kloster bei Altorf in Würtemberg, wo mehre Welfen begraben worden sind. Sein Enkel Welf III. erhielt 1047 die Belehnung mit Kärnten und der Mark Verona, starb unvermählt 1055 und setzte das Kloster Weingarten zum Erben aller seiner Güter ein. Seine Mutter Irmengard von Luxemburg rief aber einen Sohn seiner einzigen Schwester Kunigunde, welche an den Markgrafen Azzo von Este vermählt war, aus Italien herbei, um seines Oheims Testament umzustoßen, was auch gelang, und dieser Welf IV. wurde nun Stifter der jüngern welfischen Linie, erhielt die Belehnung mit dem Herzogthum Baiern, lehnte sich wiederholt gegen den Kaiser auf und starb während eines Kreuzzugs 1101 auf Cypern. Ihm folgten seine Söhne Welf V., gest. 1120, und Heinrich der Schwarze, welcher durch seine Gemahlin Wulfhilde, Erbtochter des Herzogs Magnus in Sachsen, die demselben hier zugehörenden Billung'schen Güter erbte. Sein Sohn Heinrich der Großmüthige erhielt zum Herzogthume Baiern von seinem Schwiegervater, Kaiser Lothar, auch das Herzogthum Sachsen und war einer der mächtigsten deutschen Fürsten. Als er aber dem zu Lothar's Nachfolger gewählten Konrad III. von Hohenstaufen die Krone streitig zu machen versuchte, verfiel er in die Acht und büßte den größten Theil seiner Besitzungen ein, von welchen nach seinem Ableben sein Sohn Heinrich der Löwe (s.d.) nur das Herzogthum Sachsen und die dasigen Erbgüter zurückerhielt. Der bair. Länder suchte sich sein Oheim Welf VI. zwar mit Gewalt zu bemächtigen, wurde jedoch deshalb mit der Acht belegt, von Kaiser Konrad III. selbst befehdet und in der Schlacht bei Weinsberg 1140 besiegt, in welcher zum ersten Male die berühmten mittelalterlichen Parteinamen Welf oder Welfen, als Gegner der kais. Absichten, und Waiblingen (Ghibellinen) als Anhänger der kais. Partei, das Feldgeschrei der Kämpfenden gewesen sein sollen. Welf VI. war auch im Besitz großer Güter in Italien, starb 1191 zu Memmingen und setzte Kaiser Heinrich VI. zu seinem Erben ein. Der Name Welf erlosch mit ihm, keineswegs aber sein Geschlecht, dessen Sitz jedoch nun ausschließlich das nördl. Deutschland wurde (s. Braunschweig); zum Gedächtniß jenes alten Namens aber wurde neuerlich noch der hanov. Guelfenorden gestiftet. Was anfangs nur Familienzwist unter den Welfen und Ghibellinen gewesen war, erweiterte sich in der Folge zu den erbitterten Parteikämpfen der nach Oberherrschaft über den Kaiser trachtenden Päpste und Freiheit und Selbständigkeit verlangenden ital. Städte, welche zusammen die Partei der Guelfen gegenüber den Freunden des Kaisers oder Ghibellinen bildeten, auch mitunter andere Namen, z.B. die der Weißen und Schwarzen, führten. Eine weiße Rose oder rothe Lilie war das Zeichen der Ghibellinen, ein Adler, der einen blauen Drachen mit einer rothen Lilie auf dem Haupte zerriß, das der Guelfen, und beinahe 300 Jahre lang verheerte mit wechselndem Erfolge dieser Streit und die geistliche oder weltliche Obermacht das unglückliche Italien.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 688.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: