Wild

[725] Wild nennt man im Allgemeinen alle im Freien ungezähmt lebenden und einen Gegenstand der Jagd ausmachenden Thiere, und insofern sie genießbar sind, heißen sie oder ihr Fleisch auch Wildpret. Wer sich unberechtigterweise auf dem Gebiete eines andern Jagdberechtigten Wild aneignet (erlegt oder fängt), begeht einen Wilddiebstahl und heißt Wilddieb, Wilderer. Da nun aber bei einem wirklichen Diebstahl vorausgesetzt wird, die entwendete Sache müsse sich im Besitze des Bestohlenen befunden haben, was bei dem in natürlicher Freiheit lebenden Wilde nicht der Fall ist, so kann er auch an diesem nicht begangen werden. Daher ist auch nach gemeinem Rechte das Verbrechen Dessen geringer als wahrer Diebstahl, der die Jagdrechte eines Andern auf die angeführte Weise beeinträchtigt. Die Eifersucht, mit welcher die Jagd von den Berechtigten, besonders in früherer Zeit, betrieben wurde, hat jedoch in die Gesetze zum Schutze derselben eine außerordentliche Strenge eingeführt und selbst grausame Todesstrafen dagegen ausgesprochen. In manchen Landesgesetzen sind Wilddiebe noch mit dem Tode und wenigstens mit Zuchthaus bedroht, und dem Forst- und Jagdwächtern ist sogar gestattet, nach ihnen zu schießen, wenn sie sich auf ihren Zuruf nicht ergeben und wol gar zur Wehr setzen wollen. Die Härte solcher Gesetze, welche die ganze Existenz des Übertreters in Frage stellen, ist daher wol mit Recht als Veranlassung betrachtet worden zu den in solchen Ländern vorkommenden Ermordungen von Jägern und Forstbeamten, denen Wilddiebe in die Hände fallen. – Wildschade heißt der durch das Wild auf den Feldern angerichtete Schade, welcher in früherer Zeit von den Jagdberechtigten den Grundstücksbesitzern ziemlich ohne Weiteres aufgebürdet zu werden pflegte und durch übermäßige Hegung des Wildes noch vor 50 Jahren für viele Gegenden eine der Hauptbeschwerden des Landmannes war. Dieser Schade ist aber oft sehr beträchtlich, indem wilde Schweine nicht blos Vieles von den Feldfrüchten fressen, sondern durch Umwühlen noch mehr verderben, die Hirsche durch Ausscharren die junge Saat vernichten, Rehe und Hafen junge Baumpflanzungen durch Abfressen der Rinde ruiniren u.s.w., und der Landmann wurde auf solche Weise in früherer Zeit von den Jagdberechtigten am Ertrage seiner mühevollen Arbeiten empfindlich verkürzt. In neuerer Zeit aber ist endlich anerkannt worden, daß der Jagdberechtigte den vom Wilde dem Feldbau zugefügten Nachtheil ersetzen muß, und die Gesetzgebungen mehrer Länder sprechen denselben ausdrücklich aus, wie z.B. im Königreiche Sachsen, im Großherzogthume Weimar, im Großherzogthume Hessen, in Preußen, wo eine königl. Cabinetsordre vom 30. Sept. 1827 erklärt, der Wildstand möge übermäßig sein oder nicht, »so sind doch die benachbarten Acker- und Wiesenbesitzer nicht verbunden, ihre Felder und Wiesen von den Hirschen und Schweinen der Jagdberechtigten verheeren zu lassen«. Wer daher solches Wild hegen will, muß solche Anstalten treffen, daß die angrenzenden bebauten Ländereien gegen Beschädigung durch dasselbe gesichert sind, und muß außerdem für dieselbe haften. – Wildbahn heißt beim Jagdwesen so viel wie Jagdgehege und Revier, dessen Grenzen abgesteckt sind und in welchen das Wild gehegt wird. Es begreift nicht blos Wald, sondern auch umliegende Wiesen und Felder, wo das Wild ungestört seinen Bedürfnissen nachgehen darf. – Wildrufe werden allerhand kleine Werkzeuge genannt, mit denen man die Stimme verschiedener wilder Thiere nachahmt, um sie bei der Jagd heranzulocken, und deren Verfertigung in Nürnberg von besondern Drechslern betrieben wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 725.
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