Händel, Georg Friedrich

[156] Händel, Georg Friedrich, geb. zu Halle in Sachsen 1684, war einer von denjenigen großen Männern, deren Talenten Zeit und Gelegenheit gegeben wurde, nach allen Seiten hin die umfassendste Ausdehnung zu gewinnen, so daß Erfahrung und Ernst des Alters und philosophische Anschauung des Lebens den geistigen Uebermuth zu regeln vermochten. So fehlt in den Werken Rafael's und Mozart's, in diesen Götterversammlungen erhabener Ideen, dennoch die kräftige Gestalt des Herkules, weil sie nicht Zeit hatten, ihn zu erwarten, während die höheren Jahre eines Gluck, Beethoven, Händel, Michel Angelo im Kampfe mit dieser Gottheit ihre Riesenkräfte bilden konnten. Obwohl Handel schon im 7. Jahre als Virtuos auf Orgel und Clavicymbel die Bewunderung der gebildeten Welt auf sich zog, und seine Oper Armida 27 Abende hinter einander Venedigs Bühne betrat; obwohl er zu London in der Oper Mucius Scävola den beliebten, höchst reizenden Buononcini überwand, und sich in mehr als 30 Opern, Serenaden und andern Werken flüchtige Kränze eines flüchtigen Ruhms flocht, so schritt sein Geist durch diese leichten Gewinde zuerst auf großen Kothurnen des Sophokles in seinen Oratorien daher. Hier schuf er sich eine Sphäre, in der sein Geist von keiner Fessel des Zeitgeistes und der Convenienz beengt, die breiten Adlerschwingen entfalten konnte, die sowohl uns den Himmel herniedertrugen, als sie ihn zu demselben erhoben. Als bereits Porpora und die bezaubernde Stimme des Italieners Farinelli ihn aus der Gunst des Publikums verdrängt hatten, und seine geschwächte Gesundheit seinen Geist zu derjenigen Krisis zwang, aus der er mit göttlicher Kraft gegürtet, hervorging, ward er der großartige Schöpfer des Oratoriums und der freiern Kirchenmusik. Das Alexanderfest,[156] welches zuerst zu London aufgeführt wurde, fand ungetheilten Beifall; seine Jephtha, Salomo, Samson, Josua etc. sind tiefe, unergründliche Ströme, deren Quellen unter dem Allerheiligsten verborgen liegen. Sein höchstes Meisterwerk aber ist der Messias, dieses christliche Epos, in dem zum ersten Male die göttliche Offenbarung mit wahrhaft göttlichen Zungen zu reden versuchte. – Nach empfangener musikal. Bildung in Halle, Berlin und Hamburg ging H. nach Italien, wo er für Florenz, Rom und Venedig die meisten seiner Opern componirte. Dann wechselte sein Aufenthalt zwischen Hannover und London, und erst als der Kurfürst von Hannover den britischen Thron bestieg, wurde London sein fester Wirkungskreis. Hier war er Dirigent der Oper an verschiedenen Theatern, entzweite sich über Farinelli und begann darauf seine größere Laufbahn als Oratoriencomponist. H. starb 1759; in der Westminsterabtei ward seinem Andenken ein großartiges Denkmal gesetzt.

–k.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 156-157.
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