Thüringen

[125] Thüringen. An der westlichen Grenze der güldenen Aue, diesem goldenen Streifen in dem uralten, reichverzierten Wappenschilde T's, erhebt sich wie eine einsame, waldumgürtete Burgwarte der berühmte Kyffhäuserberg. Gleich einer verwitterten Rittergestalt ragt noch auf ihm ein Streitthurm jener weitläufigen Burg empor, in deren unterirdischen Gewölben der alten Sage nach, den greisen Bart in den steinernen Tisch verwachsen, der mächtige Hohenstaufe Friedrich Barbarossa weilt, um nur alle Jahrhunderte einmal seinem Verließ zu entsteigen und seine Heldenblicke an der herrlichen Landschaft zu weiden Dann nordöstlich thürmt sich gleich einem Kranze von Nebelriesen der alte Harz empor. Zur Rechten und Linken ziehen sich wie goldgrüne Schlangen mit Blumen- und Fruchtkronen die üppigen Auen hin. Die alte Grafschaft Mansfeld mit der Wiege des großen Reformators, der Bergstadt Eisleben, breitet sich wie ein Eiland von Waldhügeln und goldenen Gärten aus. Im Süden erheben sich die stolzen Thürme von T's alter Hauptstadt Erfurt; und immer weiter schweift der schwelgende Blick über die Fluren der klassischen Ilm, über die Hügel des deutschen Athens – Weimar – hinweg, bis zu den Gebirgen des thüringer Waldes[125] (s. d.), diesen waldgrünen Ahnungen der Freiheit. Dieß ist der alte gefeite Barbarossaring mit dem Miniaturbilde der ganzen gesegneten Landschaft, des ehemaligen mächtigen Reiches T., das einst seine Grenzen bis an den Rhein, die Donau, Böhmen und Sachsen ausbreitete, bis es, nachdem sein letzter König Hermannfried gefallen (531), unter die Sachsen und Franken getheilt wurde. Jetzt nur noch ein gemeinschaftlicher Name für das Großherzogthum Weimar, das Herzogthum Gotha, die Fürstenthümer Schwarzburg, die Herrschaft Schmalkalden, einen Theil der Herzogthumer Altenburg und Meiningen und einen Theil des preußischen Herzogthums Sachsen, erstreckt sich T. bis an die Saale (östlich), bis an Hessen (westlich), im Norden bis an Hannover und Braunschweig und südlich bis an Baiern. Zum größten Theil, mit Ausnahme des thüringer Waldes, von sanften Hügeln bedeckt, ist es meist außerordentlich fruchtbar, erzeugt alle gewöhnliche Getreide- und Obstarten, Handelspflanzen, auch Wein in Menge, liefert Eisen, Kupfer, Braunstein, Silber, Porzellanerde, Stein- und Braunkohlen, etc., enthält viele Salzquellen und Gesundbrunnen, wie Langensalza, Kösen, Artern, Liebenstein, Bibra etc, und wird belebt von einer Menge Fabriken und Manufacturen. Hauptflüsse sind die Unstrut, Ilm, Gera, Helme, Wipper und Grenzflüsse Saale und Werra; und die hauptsächlichsten Städte außer Erfurt: Eisenach mit der Warlburg, Gotha, Langensalza, Mühlhausen, Nordhausen, Frankenhausen, Weißenfels, Eisleben, Naumburg, Jena, die Universitätsstadt, Weimar, Rudolstadt, Saalfeld, Sondershausen etc. Eine Menge der edelsten Geschlechter, wie die Schwarzburge, Mansfeld, Gleichen, Henneberge etc., gingen aus T. hervor; zahlreiche Ruinen documentiren noch die alte Herrlichkeit. Der Thüringer selbst ist ein echtdeutscher, grundkräftiger Volksstamm, und aus dem reichen Blüthenkranze der Thüringerinnen strahlen eine Radegunde, des Königs Balderich's Tochter, und Elisabeth die Heilige (s. d.) mildleuchtend hervor.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 125-126.
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