Bospŏrus

[257] Bospŏrus (griech., türk. Istambul Boghazi), die aus dem Schwarzen Meer ins Marmarameer führende Meerenge, zum Unterschied von andern gleichnamigen Meerengen Thrakischer B., auch »Straße von Konstantinopel« genannt (s. Karton auf Karte »Balkanhalbinsel«). Hier soll nach dem griechischen Mythus Jo, in eine Kuh verwandelt, durchs Meer geschwommen sein, daher der Name B. (»Rinderfurt«). Die von NO. nach SW. verlaufende, gewundene, stromartige Meerenge ist 660 m bis 3,3 km breit, 28,5 km lang, 50–70 m, an der engsten Stelle 120 m tief. Eine starke Oberflächenströmung schwach salzhaltigen Wassers von 3–4 km mittlerer Geschwindigkeit findet aus dem Schwarzen Meer ins Marmarameer statt, während eine langsamere Unterströmung dem Schwarzen Meer Wasser von stärkerm Salzgehalt zuführt und so dessen Aussüßung verhindert. Die sehr lebhafte Schiffahrt durch den B. ist bei seiner Enge, den plötzlich wechselnden Winden und den häufigen Nebeln nicht immer ohne Gefahr. Die Ufer bieten mit ihren schön geformten Bergen (bis 250 m Höhe), ihren von Zypressen, Lorbeerbäumen und Platanen beschatteten Buchten, deren größte das »Goldene Horn« ist, den zahllosen Schlössern, Ruinen, Palästen, Kiosken, Dörfern, Villen und Gärten eine ununterbrochene Folge herrlicher Ansichten dar. Am Südeingang liegt auf europäischer Seite Konstantinopel nebst Pera, gegenüber auf asiatischer Seite Skutari; dann folgen als bemerkenswerteste Punkte links die prachtvollen kaiserlichen Lustschlösser Dolma-Baghtsche und Tschiraghan Seraj, darüber der Jildis-Kjöschk; darauf das Dorf Ortaköi. In der Mitte des B. stehen zwei feste Schlösser: auf europäischer Seite Rumeli Hissar, auf asiatischer Anadoli Hissar, letzteres als Kerker für Kriegsgefangene lange Zeit berüchtigt. Hier überschritt 513 v. Chr. Dareios den B. an seiner engsten Stelle auf der von Mandrokles erbauten Brücke. Weiterhin folgen Jenikiöi und Therapia, Sitz der deutschen, englischen und französischen Botschafter; ferner Böjük-dere und Schloß Rumeli Kawak, endlich am Schwarzen Meer beiderseits alte genuesische Kastelle neben Leuchttürmen (Rumeli Feuer auf europäischer, Anadoli Feuer auf asiatischer Seite), beide durch Strandbatterien geschützt. Dicht vor dem europäischen Leuchtturm die von den Alten Kyanäen genannten Felsen. Hier 1352 große Seeschlacht zwischen den Venezianern und Genuesen um die Herrschaft im Schwarzen Meer. B. und Hellespont sind ein in der jüngern Pliocänzeit auf dem Festland gebildetes und dann unter das Meer getauchtes Erosionstal eines ehemaligen Flusses, das mitten durch das zu einem sanftwelligen Plateau abradierte Devongebirge und die nördlich vorlagernden Basaltfelsen hindurchführt. Vgl. Tschihatschew, Le Bosphore et Constantinople (Par. 1864); Dethier, Der B. und Konstantinopel (Wien 1873). –Kimmerischer B. hieß im Altertum die jetzige Straße von Kaffa (Feodosia) oder Kertsch, die zwischen der Taurischen Halbinsel (Krim) und dem Festland aus dem Schwarzen Meer in das Asowsche Meer führt. In dieser Meerenge, die ihren Namen von ihren ältesten Anwohnern, den Kimmeriern, trug, bewegte sich in der spätern Zeit des griechischen Reiches und unter Venezianern und Genuesen im Mittelalter der Welthandel. Doch fror die Meerenge im Winter so fest zu, daß die Reiterei des Mithradates auf derselben Stelle eine Schlacht lieferte, wo im Sommer vorher ein Seetreffen stattgefunden hatte. An ihr lag die Stadt Pantikapäon (s.d.), von den Byzantinern B. genannt; auch gab der B. einem Staate des Altertums, dem Bosporanischen Reich (s.d.), den Namen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 257.
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