Demetrĭus

[627] Demetrĭus (Dmitri), Fürsten, Großfürsten und Zare von Rußland: 1) D. I. Alexandrowitsch, Sohn des Großfürsten Alexander I. Newskij (1276–1294) war Großfürst und Fürstvon Susdal und stritt mit seinem Bruder Andreas mit wechselndem Erfolg um Nowgorod.

2) D. II. folgte 1319 seinem von Georg Danilowitsch ermordeten Vater Michael von Twer als Fürst von Nowgorod, 1325 erschlug er in der Horde des Tatarenchans Georg, wofür ihn der Chan 15. Sept. 1326 hinrichtete.

3) D. III. Konstantinowitsch, Fürst von Susdal, 1359 vom Tatarenchan als Großfürst von Moskau eingesetzt, mußte schon 1362 dem D. IV. weichen und starb 1383.

4) D. IV. Iwanowitsch, Donskoi, geb. 1350, folgte 1362, vom Tatarenchan als Großfürst eingesetzt, dem vorigen, erbaute seit 1367 den Kreml zu Moskau und verlegte seine Residenz von Wladimir dahin. Er überwand seine Rivalen Demetrius (III.) von Susdal, Michael von Twer und Oleg von Rjasan, die wiederholt von dem Tatarenchan unterstützt wurden. Am 11. Aug. 1378 schlug erdas Heer des Chans Mamai und 8. Sept. 1380 diesen selbst, der mit Jagello von Litauen verbunden war, auf der Ebene von Kulikowo am Don (daher Donskoi, der Donische, genannt). Wenn auch Toktamisch, der Einiger der Weißen und der Blauen Horde, Moskau verwüstete (1382), so gab D. durch die erstmalige Besiegung der Tataren den Anstoß zur Befreiung und Einigung Rußlands. Er starb schon 19. Mai 1389, seinen 17jährigen Sohn Wasilij als Nachfolger hinterlassend.

5) Jüngster Sohn Iwans IV., des Schrecklichen, geb. 19. Okt. 1583, wenige Monate vor dem Tode seines Vaters, ward unter Zar Feodor Iwanowitsch mit seiner Mutter Maria nach Uglitsch verwiesen und daselbst, wahrscheinlich auf Befehl des Boris Godunow (s.d.), ermordet. Nach andern Angaben rettete ihn seine Mutter, indem sie ein ähnliches Kind unterschob. Aus der Ungewißheit seines Todes entstanden die falschen D. (Pseudo-Demetrius), deren erster 1603 auftrat und nach der offiziellen Angabe Boris Godunows ein Mönch aus dem Kloster Tschudow, Grischka Otrepjew, gewesen sein soll. Er war Großrusse und entdeckte sich zuerst dem Fürsten Wisniewezki in Litauen, bei dem er in Diensten stand, und dann dem Woiwoden von Sandomir, Mniszech, der ihn dem polnischen König Siegmund III. vorstellte und ihm seine Tochter Marina vermählte. Die Polen unterstützten ihn in seinem Kampf gegen Boris, der, wiederholt geschlagen, plötzlich starb, wie einige meinen, an Gift. Boris' Sohn und Nachfolger Feodor ward, kurz bevor D. 1605 in Moskau einzog und den Thron bestieg, nebst seiner Mutter erdrosselt. D. regierte mit Kraft und Umsicht; doch brachte er durch Neuerungen in Tracht und Sitte, insbes. durch seine Bevorzugung der abendländischen Kultur, die Großen des Reiches gegen sich auf; als seine Braut, die katholische Marina Mniszech, mit 2000 Polen in Moskau erschien, erregte die Haltung der letztern allgemeinen Unwillen. Während der Hochzeitsfeier entstand ein Aufstand in Moskau; der Pöbel und ein Soldatenhaufe, vom Fürsten Wasilij Schuiskij, dem D. schon früher einen Verrat großmütig verziehen, geführt, brach in den Kreml ein, wobei D. und viele Polen ermordet wurden. Marina wardin den Kerker geworfen. Vgl. über D. die Schrift von Kostomarow (1864); Pierling, Rome et D. (Par. 1878); Caro, Zur Demetriusfrage (»Historische Zeitschrift«, Bd. 88, Heft 2). Schiller benutzte seine Geschichte zu seinem (unvollendeten) Drama »D.«

Ein zweiter falscher D. trat 1607, nachdem Wasilij Schuiskij den Thron bestiegen, auf, gab sich für den ersten aus und behauptete, sich aus Moskau gerettet zu haben. Er schlug wiederholt die Truppen des Zaren und fand besonders Anhang, als die herrschsüchtige Marina ihn als ihren Gemahl anerkannte.[627] Er residierte längere Zeit im Dorf Tuschino bei Moskau und besetzte eine große Menge von Städten, insbes. im Norden Rußlands, so daß Wasilij Schuiskij genötigt wurde, die Hilfe Schwedens gegen den Prätendenten und die ihn unterstützenden Polen zu erbitten. Das stark befestigte Kloster Troizk wurde von den »Tuschinzy«, den Anhängern des zweiten D., lange belagert. Als aber der polnische Hetman Zolkjewski nach Wasilijs Sturz Moskau für Siegmunds III. Sohn Wladislaw in Besitz nahm, floh der Pseudo-Demetrius nach Kaluga und ward dort 1610 ermordet. Ein dritter falscher D. trat 1611 eine kurze Zeit in Nowgorod auf.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 627-628.
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