Feuilleton

[531] Feuilleton (franz., spr. föj'tong, »Blättchen«), aus der französischen Journalliteratur in die deutsche übergegangene Bezeichnung des Teiles einer politischen Zeitung, der für nichtpolitische Nachrichten, Kritiken,[531] belletristische Mitteilungen, Romane, Novellen, Essays, Plaudereien u. dgl. bestimmt ist und in der Regel von dem Haupttext durch einen Strich getrennt wird. Das F. ward zuerst im »Journal des Débats« 1800 durch den Abbé Geoffroy eingeführt und war hier lediglich für Theaterkritiken bestimmt. Später kamen Bücherrezensionen, Berichte über Sitzungen der Akademie, über Reisen, Kunstwerke u. dgl., Notizen über Moden, interessante Tagesereignisse und gesellschaftliche Zustände etc. hinzu. Schließlich fand auch die Belletristik Aufnahme darin und zwar bald in so ausgedehntem Maße, daß ganze umfangreiche Romane (wie z. B. im »Constitutionnel« die sozialen Romane von E. Sue) zuerst im F. erschienen. Englische und deutsche Zeitungen ahmten die französische Einrichtung, z. T. unter anderm Namen, bald nach; indessen wurde hier der Ton des echten Feuilletons, wie er namentlich durch Jules Janin (1804–69), Th. Gautier (1808–72) und Sainte-Beuve (1819–55) seine künstlerische Legitimation erhalten hatte: leichte und gefällige Darstellung bei aller Gediegenheit des Inhalts, nicht immer glücklich getroffen. Das F. der meisten deutschen Zeitungen beschränkt sich auf die Veröffentlichung von Romanen und Novellen, auf populärwissenschaftliche Aufsätze, auf literarische, Kunst- und Theaterkritiken und auf Kunstnotizen. Diese vorwiegend kritische Richtung, bisweilen mit humoristischer oder sarkastischer Färbung, wurde dem deutschen F. vornehmlich durch E Kossak (1814–76) und A. Glaßbrenner (1810–1880) gegeben. Unter den deutschen Feuilletonisten (d. h. Schriftstellern, die hauptsächlich für das F. einer Zeitung schreiben) der neuern Zeit haben sich besonders K. Frenzel, P. Lindau, L. Pietsch, O. Banck und die Humoristen Eckstein, Stettenheim, Trojan, Dohm einen Namen gemacht. Bei der z. T. wissenschaftlichen Färbung der kritischen Aufsätze streift das F. oft an den Essay (s.d.). Größere Pflege als in Deutschland wird dem F. im eigentlichen Sinne, d. h. der leichten, geistreichen Plauderei über Tagesereignisse auf allen Gebieten des geistigen Lebens, in Österreich (Wien) zuteil, wo hervorragende Talente, wie D. Spitzer, Speidel, Wittmann, Uhl, Kürnberger, K. E. Franzos, W. Goldbaum, F. Groß, Schlögl, S. Schlesinger, I. Nordmann, E. Hanslick, z. T. in Anschluß an die Theater- und Musikkritik, dieses Gebiet mit Eifer kultiviert haben. In neuester Zeit hat das F. im alten künstlerischen Sinn in der auf den Augenblicksbedarf der Tageszeitungen berechneten Massenproduktion seine Bedeutung verloren. Vgl. E. Eckstein, Beiträge zur Geschichte des Feuilletons (Leipz. 1876); F. Groß, Das Wiener F. (in »Nichtig und flüchtig. Geschichten und Skizzen«, das. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 531-532.
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