Handarbeiten, weibliche

[715] Handarbeiten, weibliche, erstreckten sich im Anfang der Kultur jeden Volkes auf die gesamte Ausstattung des Hauses. Im frühesten Altertum finden wir die Frauen mit Flechten, Spinnen, Weben und Sticken zur Verfertigung und Verzierung der Kleider beschäftigt, welche Tätigkeit sich mit der Steigerung künstlerischer Bedürfnisse und je nach Stil, Land und Volk für Kirche, Haus und öffentliches Leben erweiterte,[715] aber auch mit den übrigen Werken der Kleinkunst am Ende des 18. Jahrh. in Verfall kam und zuletzt, infolge der Massenherstellung durch die Maschinenarbeit, gänzlich zurückgedrängt wurde, bis sie im Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrh. mit der erneuten Pflege des Kunstgewerbes wieder an Bedeutung gewann. Sie erstreckte sich indes nunmehr auf solche Gebiete, die das Eintreten eigener künstlerischer Kraft und sinnvoller Erfindung in der Ausgestaltung des Einzelnen erfordern. (Vgl. über den technischen und künstlerischen Entwickelungsgang der einzelnen Zweige weiblicher Handarbeiten die betreffenden Artikel.) Eine Erweiterung suchte man seit einiger Zeit der weiblichen Handarbeit nach der Seite der dekorativen Malerei für Porzellan, Majolika, Holz, Seiden- und Gobelinstoffe zu geben, woran sich Ätzungen auf Stein und Metall schließen: Gruppen kunstgewerblicher Tätigkeit, auf denen sich das einzig lebensfähige Element aller modernen Handarbeit, das Künstlerische bei mäßigen Ansprüchen an die Begabung des Einzelnen, vorteilhaft entfalten kann. An der Verbreitung guter Muster und Vorbilder für w. H. haben Anteil die Kunstgewerbemuseen, Schulen und Vereine als Sammelstätten von Originalen und Abbildungen stilgerechter kunstgewerblicher Arbeiten und Entwürfe, welche die guten alten Formen und Farbensätze bewahrt haben. Das Österreichische Museum in Wien hat eine Schule für w. H. gegründet. In London besteht seit 1872 die Royal School of art needlework, deren Leistungen schon auf der Pariser Ausstellung von 1878 allgemeine Bewunderung erregten. In ähnlicher Weise hat auch der badische Frauenverein eine Abteilung für w. H. gebildet. In Nürnberg, München, Hamburg und vielen andern Orten sind teils Vereine, teils größere Kunstateliers, an die sich Schulen anschließen, tätig. In Berlin umfaßt der Lette-Verein alle Zweige weiblicher Fortbildung; auch das Kunstgewerbemuseum hat hier eine eigene Klasse für w. H. errichtet. Als mächtige Förderer treten auch die Modezeitschriften (»Die Modenwelt«, »Der Bazar«, »Wiener Mode« u. a.) ein, die das ganze Gebiet weiblicher Handarbeiten umfassen. Schließlich tragen zur Förderung der Pflege weiblicher Handarbeiten wesentlich bei die Bestrebungen der Vereine und Schulen, die auf die Erhaltung und Begründung der Hausindustrie gerichtet sind. Reiches Material bietet sich hierzu in folgenden Werken: F. Bock, Album mittelalterlicher Ornamentstickerei (Köln 1866); »Originalstickmuster der Renaissance«, herausgegeben vom Österreichischen Museum; J. Lessing, Altorientalische Teppichmuster (Berl. 1877) und Muster altdeutscher Leinenstickerei (3 Sammlungen, das. 1879–80 u. ö.); »Muster altitalienischer Leinenstickerei« (das. 1880–83, 2 Hefte) und »Das Spitzenklöppeln« (hrsg. von Frida Lipperheide, beide Berl. 1898); »Album für Stickerei« von Friedr. Fischbach (s. d.); Georgens, Die Schulen der weiblichen Handarbeit (3. Aufl., Leipz. 1884, 12 Hefte); Cocheris, Stickmuster des 16. Jahrhunderts (2. Aufl., Par. 1873); Sibmacher, Musterbuch von 1597 (neue Ausg., Wien 1882) und Musterbuch von 1604 (neue Ausg., Berl. 1880, in Farben, und 1881); Drahan, Stickmusterbuch; Stassoff, L'ornement russe (St. Petersb. 1872); Lay, Ornamente südslawischer Haus- und Kunstindustrie (Agram 1878–83, 20 Hefte); Hoffmann, Spitzenmusterbuch von 1607 (neue Ausg., Wien 1876); Palliser, History of lace (4. Aufl., Lond. 1902); Tina Frauberger, Handbuch der Spitzenkunde (Leipz. 1894); Teschendorff, Kreuzstichmuster für Leinenstickerei (Berl. 1879–1883); E. v. Manteuffel, Album altdeutscher Leinenstickerei (Harb. 1883); M. Clasen-Schmid, Musterbuch für Frauenarbeiten (3. Aufl., Leipz. 1892); G. Hirth, Album für Frauenarbeit (Münch. 1880); E. Bach: Neue Muster in altem Stil (Dornach 1887 ff.), Die Reform des Unterrichts in weiblichen Handarbeiten (Vortrag, Wien 1876) und Muster stilvoller Handarbeiten für Schule und Haus (das. 1879); Dillmont, Enzyklopädie der weiblichen Handarbeiten (Dornach 1893); Scheffers, Neue Mustervorlagen für farbige Kreuzsticharbeiten (Leipz. 1887); Fröhlich, Neue farbige Kreuzstichmuster (Berl. 1887) und Neue Borden. Muster für Stickerei und Weberei (das. 1887); Lipperheide, Die dekorative Kunststickerei (das. 1887–96); Bender, Das Stickereimonogramm (Leipz. 1887–90) und Moderne Kunststickereien (2. Aufl., Berl. 1898); Franke, Neues Stickereimonogramm (Zürich 1891) und Rondomonogramme für Stickereizwecke (das. 1891); Steffahny, Stickereimuster. Neue Entwürfe für allerhand Nadelarbeiten (Leipz. 1892 ff.). Für andre Techniken außerhalb der textilen Handfertigkeit: A. v. Zahn, Musterbuch für häusliche Arbeiten (Leipz. 1870–73, 3 Tle.); Heiden, Motive, Einzelformen aller Techniken des Kunstgewerbes (das. 1892) und Musteratlas (das. 1896). Weiteres im folgenden Artikel »Handarbeitsunterricht«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 715-716.
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