Herschel [2]

[235] Herschel, 1) Friedrich Wilhelm, Astronom, geb. 15. Nov. 1738 in Hannover als Sohn eines Militärmusikers, gest. 25. Aug. 1822 in Slough bei Windsor, trat in seinem 14. Jahr in das Hoboistenchor der hannoverschen Fußgarde, ging 1757 nach London, ließ sich als Musiklehrer in Leeds nieder, ward sodann Organist in Halifax und 1766 in Bath. Das Studium der mathematischen Theorie der Musik führte H. auch dem aller übrigen mathematischen Wissenschaften zu, und schon früher von seinem Vater auf die Astronomie hingelenkt, drang nun die Liebe zu dieser Wissenschaft in ihm durch. Er versuchte Spiegel zu schleifen, und nachdem ihm 1774 ein fünffüßiger Reflektor gelungen war, begann er sich astronomischen Beobachtungen zu widmen. Er fertigte zahlreiche Spiegelteleskope, z. T. von bis dahin noch unbekannter Größe. Sein Ruf als Astronom und praktischer Optiker verbreitete sich rasch in weiten Kreisen, besonders als er 13. März 1781 den Uranus entdeckte, den er dem König von England zu Ehren Georgsgestirn (Georgium sidus) nannte. Georg III. machte es nun H. durch Aussetzung eines Jahrgehalts möglich, sich. ganz seinen astronomischen Studien zu widmen, worauf dieser nach Datchet und 1786 nach Slough bei Windsor zog. 1783 fand er die Eigenbewegung des [235] Sonnensystems, 1782 und 1785 veröffentlichte er die ersten Verzeichnisse der von ihm entdeckten Doppelsterne, 1786 der von ihm entdeckten Nebel, 1787 entdeckte er zwei Uranusmonde, 1790 mittels eines neuen Riesenspiegelteleskops von 12 m Länge zwei neue Trabanten des Saturn und bestimmte die Zeit der Rotation dieses Planeten und die Gestalt und Lage seiner Ringe, 1798 fand er einen weitern Uranusmond. Das Schwergewicht von Herschels Entdeckungen liegt auf dem Gebiete der Stellarastronomie. An Nebelflecken und Sternhaufen, von denen man bis zu Herschels Zeit nur 102 kannte, entdeckte er allein 2500, die er nach ihrem Aussehen in acht Klassen einordnete; ebenso wies er fast gleichzeitig mit Chr. Mayer die Existenz von Doppelsternsystemen nach, entdeckte eine große Anzahl solcher Paare und maß ihre gegenseitige Stellung; aus den Veränderungen, die sich bei Wiederholung dieser Messungen nach einigen Jahren herausstellten, schloß er, daß die meisten Doppelsterne in physischer Verbindung zueinander stehen und die beiden Sterne sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Die Sterneichungen (gauges), die er zur Untersuchung der Sterndichtigkeit in verschiedenen Gegenden des Himmels ausführte, führten ihn zu sehr wichtigen Resultaten über den Bau des Sternsystems und die Gestalt der Milchstraße (vgl. Textbeilage zum Art. »Fixsterne«, S. III). Die meisten Untersuchungen Herschels sind in den »Philosophical Transactions« veröffentlicht. Von einigen erschienen folgende deutsche Übersetzungen: »Über den Bau des Himmels« (Königsberg 1791; 2. Aufl., Dresd. 1826); »Beschreibung des 40füßigen reflektierenden Teleskops« (Leipz. 1799); »Untersuchungen über die Natur der Sonnenstrahlen« (Halle 1801). Vgl. Wolf, Wilh. H. (Zürich 1867); Holden, Sir W. H., his life and works (Lond. 1881; deutsch, Berl. 1882); Sime, William H. and his work (Lond. 1900).

2) Lucretia Karoline, Schwester des vorigen, geb. 16. März 1750 in Hannover, gest. daselbst 9. Jan. 1848, erwarb sich, bei ihrem Bruder in Slough bei Windsor wohnend, reiche Kenntnisse in der Astronomie und unterstützte jenen bei seinen Beobachtungen. Sie stellte auch eigne Beobachtungen und Berechnungen an und entdeckte 8 Kometen und mehrere Nebelflecke. Ferner gab sie einen Katalog von 561 Flamsteedschen Sternen heraus. Nach dem Tode ihres Bruders kehrte sie nach Hannover zurück. Vgl. »Memoir and correspondence of Caroline H.« (Lond. 1875; deutsch, Berl. 1876).

3) Sir John Frederick William, Astronom und Physiker, Sohn von H. 1), geb. 7. März 1792 in Slough bei Windsor, gest. 11. Mai 1871 in Collingwood (Kent), studierte in Cambridge und beobachtete seit 1816, z. T. gemeinschaftlich mit J. South, hauptsächlich Doppelsterne, von denen er eine große Anzahl neuer entdeckte, die er in elf Katalogen veröffentlichte. Auch gab er zwei einfache Methoden zur Berechnung der Bahnen der Doppelsterne an. Daneben unterwarf er seit 1825 die von seinem Vater entdeckten Nebelflecke und Sternhaufen einer neuen Beobachtung und veröffentlichte 1864 seinen großen »General catalogue of nebulae and clusters of stars«, der alle bis dahin bekannt gewordenen Nebel und Sternhaufen (5079) umfaßte. 1834 ging er nach dem Kap der Guten Hoffnung, wo er bis zum Mai 1838 die ganze südliche Hemisphäre des Sternenhimmels aufs genaueste durchmusterte und eine große Reihe von neuen Doppelsternen und Nebeln entdeckte. Die Resultate dieser Expedition sind in den »Results of astronomical observations made at the Cape of Good Hope« (Lond. 1847) niedergelegt. 1838 wurde er zum Baronet ernannt; das Mareshal College erwählte ihn im März 1842 zu seinem Lord-Rektor, und von 1850–55 bekleidete er das Amt eines Direktors des königlichen Münzwesens. Die Ergebnisse seiner physikalischen Studien enthalten unter andern folgende Schriften: »On the theory of light« (1828; deutsch von Schmidt, Stuttg. 1831); »Treatise on sound« (1830); »A preliminary discourse on the study of natural philosophy« (1831; deutsch von Weinlig, Leipz. 1836) und »A treatise on astronomy« (deutsch von Michaelis, das. 1837), welche Schrift, mit den Ergebnissen der neuesten Entdeckungen bereichert, 1849 u. d. T.: »Outlines of astronomy« (12. Aufl. 1875) erschien. In Verbindung mit einigen andern Gelehrten arbeitete er zum Gebrauch der Marineoffiziere ein »Manual of scientific enquiry« (1849) aus. Schon 1820 hatte er eine Sammlung von Aufgaben aus der endlichen Differenzen- und Summenrechnung geliefert (deutsch von Schnuse, Braunschw. 1859). Mehrere für die »Encyclopaedia Britannica« gelieferte Arbeiten erschienen auch in Sonderausgaben, so die »Physical geography« (neue Ausg. 1871), »Meteorology« (2. Aufl. 1870). Auch schrieb er eine Biographie des Astronomen Baily (Lond. 1845) und »Popular lectures on scientific subjects« (neue Ausg. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 235-236.
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