Maschinenlehre

[385] Maschinenlehre, Lehre von der Anwendung der mathematischen, physikalischen und mechanischen Lehrsätze auf das Maschinenwesen. Bereits im 15. und 16. Jahrh. brachten einzelne Werke Beschreibungen und Anleitungen zur Verfertigung von Apparaten oder Maschinen für einzelne Zwecke. Insbesondere über die Benutzung der Wasserkräfte und über die Pumpen für Bergwerksbetrieb existieren seit drei Jahrhunderten Abhandlungen, die aber nur historischen Wert besitzen, indem bei der unklaren Kenntnis der Naturgesetze und den mangelnden Hilfswissenschaften von einer geordneten M. keine Rede sein konnte; die damaligen Abhandlungen brachten daher entweder Beschreibungen von bestehenden Apparaten, oder enthielten Gedanken und Vorschläge über neue Mittel, die alten Zwecke zu erreichen. Ein Vergleich in betreff der Zweckmäßigkeit verschiedener Systeme derselben Maschine konnte nicht vorgenommen werden; jeder Ausführung fehlte die rechnungsmäßige Grundlage, und manches Wunderprojekt fand sich neben der Beschreibung ganz rationeller Apparate vor. Hierin mußte eine Wendung zum Bessern eintreten, als durch die Erfindung der Dampfmaschine das Maschinenwesen so mächtigen Aufschwung nahm, und besonders die vorgeschrittene Physik und Mathematik die Möglichkeit der Vorberechnung einer Wirkung, die darstellende Geometrie aber die Vorzeichnung einer bestimmt gedachten Form gestattete, mit Einem Wort, als sich die Bedingungen zusammenfanden, den Bau der Maschinen wissenschaftlich und nicht mehr, wie bisher, bloß handwerksmäßig zu betreiben. Insbesondere war es hier Ferd. Redtenbacher (s. d.), der die Methode erfand und durch seine »Prinzipien der Mechanik«, seine »Resultate für den Maschinenbau«, seinen »Maschinenbau« und dann durch eine Reihe von Spezialabhandlungen über den »Bau der Wasserräder«, »der Turbinen«, den »Lokomotivbau« u. a. praktisch lehrte, nach welchen Prinzipien die Maschinen und deren Teile angeordnet und gestaltet werden müssen, um ihrem Zweck am besten zu entsprechen. Er zeigte, wie der Plan der gezwungenen Bewegungen und die dabei auftretenden Kräfte zu erhalten sind, und wie die dazu nötigen Formen und Abmessungen der Teile durch Benutzung der Lehren der Mathematik, der Physik, der Mechanik und der Festigkeitslehre etc. sowie unter Berücksichtigung der Erfahrung an bestehenden Maschinen mit dem Minimum an Material und mit dem bestimmten Wissen der künftigen Wirkungsweise vorher festgestellt werden können, und gründete mit Einem Worte die »M.« Alles, was im Deutschen nach ihm kam, fußt auf Redtenbachers Grundlage, wobei es selbstverständlich ist, daß seinen Nachfolgern bei dem schnellen Wachsen der Erkenntnis der Naturgesetze und den neuen, den Maschinen erschlossenen großen Gebieten ein selbsterfindendes, originales, verdienstliches Schaffen nachgerühmt werden muß. Neue, bessere Methoden verdrängten teilweise die von Redtenbacher gekannten und benutzten Rechnungsweisen, wie beispielsweise die graphische Methode, die lediglich durch Konstruktion mit Zirkel und Lineal den Kräfteplan eines Mechanismus schneller, leichter und übersichtlicher darlegt, als es der alten Methode durch Rechnung allein möglich war.

Vgl. Grashof, Theoretische M. (Bd. 1: Mechanische Wärmetheorie, Hydraulik und allgemeine Theorie der Heizung, Leipz. 1875; Bd. 2: Theorie der Getriebe und der mechanischen Meßinstrumente, 1877–81; Bd. 3: Theorie der Kraftmaschinen, 1890); Weisbach, Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik (Bd. 1 in 5. Aufl., Braunschw. 1875; Bd. 2 in 5. Aufl. 1882–87; Bd. 3 in 2. Aufl. 1876–93); Rühlmann, Allgemeine M. (2. Aufl., das. 1875 bis 1903, 5 Bde.); Bach, Die Maschinenelemente (9. Aufl., Stuttg. 1903, 2 Bde.); Pechan, Leitfaden des Maschinenbaues (Bd. 1 in 4. Aufl., Wien 1898; Bd. 2 in 3. Aufl. 1895; Bd. 3 in 2. Aufl. 1898); Lolling, Berechnung und Konstruktion der wichtigsten Maschinenelemente (Leipz. 1886), Anleitung zum Zeichnen und Entwerfen von Maschinenteilen (1. Teil in 4. Aufl. und 2. Teil in 3. Aufl., Köln 1902) und Konstruktionsblätter praktisch ausgeführter Maschinenanlagen (das. 1897–1901, 2 Tle.); Rebber und Pohlhausen, Berechnung und Konstruktion der Maschinenelemente (5. Aufl., Mittweida 1900); Hoyer, Kurzes Handbuch der Maschinenkunde (Münch. 1897); Schwartze, Allgemeine M. (Leipz. 1903); Ripke, Der praktische Maschinenbauer (das. 1903); M. Schneider, Die Maschinenelemente (Braunschweig 1901–05, 2 Bde.); v. Grove, Formeln, Tabellen und Skizzen für das Entwerfen einfacher Maschinenteile (13. Aufl., Leipz. 1902) und Konstruktionslehre der einfachen Maschinenteile (das. 1902, 1. Teil); Usher, Moderne Arbeitsmethoden im Maschinenbau (deutsch von Elfes, 2. Aufl., Berl. 1900); Weickert und Stolle, Praktisches Maschinenrechnen (5. Aufl., das. 1902); T. Beck, Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaues (2. Aufl., das. 1900); A. Lang, Die Maschine in der Rohproduktion (das. 1904, 2 Tle.); Freytag, Hilfsbuch für den Maschinenbau (das. 1904); Rotth, Vom Werden und Wesen der M. (das. 1904), auch die Schriften von Reuleaux und Uhland und die technischen Zeitschriften, namentlich: »Der Maschinenbauer« (Leipz., seit 1865), »Der praktische Maschinenkonstrukteur« (das., seit 1868), »Der Maschinenmarkt« (Hannov., seit 1892), »Der Maschinentechniker« (Leipz., seit 1895).[385]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 385-386.
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