Pichegru

[861] Pichegru (spr. pischĕgrü), Charles, franz. General, geb. 16. Febr. 1761 in Arbois (Franche-Comté), gest. 5. April 1804 in Paris, trug als Lehrer der Mathematik an dem Minoritenkollegium in Brienne das Ordenskleid, empfing aber nie die Weihen. 1783 trat er als Soldat in das Artillerieregiment von Auxerre, schloß sich aus Ehrgeiz eifrig der Revolution an und erhielt als Präsident eines politischen Klubs in Besançon das Kommando eines Bataillons Nationalgarde, das er zur Rheinarmee führte. 1793 wurde er zum Divisionsgeneral befördert, warf im Herbst d. J. in Gemeinschaft mit Hoche die Österreicher zurück, bemächtigte sich der Weißenburger Linien, entsetzte Landau und nahm Lauterburg ein. Im Februar 1794 erhielt er den Oberbefehl über sämtliche Streitkräfte in den Niederlanden, erfocht 26.–29. April die Siege von Montcastel und Menin, schlug die Verbündeten unter Koburg und Yorck 18. Mai bei Tourcoing, nahm Brügge, Ostende, Gent und Oudenaarde und drang, von den holländischen Patrioten als Befreier begrüßt, Anfang 1795 siegreich in die Niederlande ein. Im März 1795 als Stadtkommandant nach Paris berufen, unterdrückte er hier 1. April den Volksaufstand der Vorstädte, kehrte aber sodann zur Rheinarmee zurück und eroberte Mannheim. Der Mangel an den nötigsten Geldmitteln und die daraus entstehende Zerrüttung seines Heeres verurteilten P. zur Untätigkeit, die ihn verdächtig machte. Er nahm im März 1796 seine Entlassung. 1797 Mitglied und Präsident des Rates der Fünfhundert und als solcher der hauptsächlichste Gegner der jakobinischen Mehrheit des Direktoriums, ward er nach dem Staatsstreich des 18. Fructidor (4. Sept.) unter der falschen Anklage der Verschwörung zugunsten der Bourbonen verhaftet und zur Deportation nach Cayenne verurteilt. Von hier entkam er im Juni 1798 mit sieben Gefährten nach Paramaribo und ging nach England. Nachdem er nun tatsächlich Verbindungen mit den Bourbonen angeknüpft, entwarf er mit Georges Cadoudal den Plan, den Ersten Konsul zu ermorden. Verkleidet begaben sich beide 1804 nach Paris, wo P. aber 28. Febr. verhaftet wurde. Ehe sein Prozeß zur Entscheidung kam, fand man ihn in seinem Kerker im Temple erdrosselt, entweder von seiner eignen Hand oder auf Bonapartes Befehl. 1816 wurde ihm in Arbois eine Statue errichtet. Vgl. Montgaillard, Mémoire concernant la trahison de P. dans les années III, IV, V (Par. 1804); Gassier, Vie du général P. (das. 1814); Pierret, P. (das. 1826); Vouziers, P., sa vie, etc. (Dôle 1870); E. Daudet, La conjuration de P. et les complots royalistes du Midi et de l'Est (Par. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 861.
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