Pichegru

[118] Pichegru (spr. Pischegrü), Charles, geb. 1761 zu Arboisin der Franche-Comté; war Minoritenschüler u. Lehrer der Mathematik an dem großen Collegium zu Brienne, gab auch an der Militärschule Unterricht u. hatte den nachmaligen Kaiser Napoleon unter seinen Schülern. Später trat er als Soldat ins erste Artillerieregiment, machte als Sergeant die letzten Feldzüge des Amerikanischen Krieges mit u. kehrte als Adjutant Sousoffizier zurück. Beim Ausbruch der Revolution wurde er Präsident eines politischen Clubs in Besançon, erhielt 1792 das Commando eines Freiwilligenbataillons des Departements Gard u. führte dasselbe zur Rheinarmee, wo er unter Hoche in den Generalstab kam u. Brigade- u. 1793 Divisionsgeneral wurde. Er nahm im December die Linien von Hagenau, entsetzte Landau u. eroberte Lauterburg. Nachdem Hoche den Oberbefehl niedergelegt hatte, erhielt P. durch St. Just im Februar 1794 das Commando über die Nordarmee, welche nach Belgien marschirte. Seine ersten vom Convent befohlenen Angriffe auf die Front des Feindes bei Landrecy mißlangen, bald machte er sie aber durch Angriffe auf die Flanke des Feindes in Westflandern wieder gut, wo er im April 1794 bei Courtray, Menin u. Mont Cassel siegte. Er zog so die Österreicher von dem Hauptpunkte des Angriffs ab, überwand sie nach mehren Gefechten den 18. Mai bei Courtray, im Juni bei Rouselaer u. Hoogleede u. eroberte, von der Sambre- u. Maasarmee unter Jourdan unterstützt, nach Vertreibung der Engländer bis zum September ganz Belgien bis an die Maas, überschritt dann die Maas u. eroberte im November Nimwegen, setzte dann sein ganzes Heer im Winter über die gefrorenen Flüsse Hollands u. nahm die holländischen Festungen u. Amsterdam fast ohne Gegenwehr. Unterdessen waren die Jakobiner, mit denen er es bisher gehalten hatte, in Paris gestürzt worden; klug wendete er sich aber zur neuen Partei, u. der Convent übergab ihm das Commando der Rhein- u. Moselarmee. Im März 1795 ging er nach Paris u. bekämpfte hier die letzten Anstrengungen der Terroristenpartei, indem er den Volksaufstand der Vorstädte unterdrückte. Im Glauben, die Wiedereinsetzung der Bourbons sei das Heilsamste für Frankreich, ließ er sich, bei der Rheinarmee wieder angelangt, mit Fauche-Borel, dem Agenten der Bourbons, in Unterhandlungen ein, welcher ihm im Namen des Prinzen Condé große Versprechungen (das Gouvernement Elsaß, das Schloß Chambord, 1,000,000 Fr. baar, 300,000 Fr. Renten, Arbois als Eigenthum) machte, wenn er Frankreich unter die Herrschaft der Bourbons zurückführte. Während dieser Unterhandlungen wurde P. durch Befehle seiner Regierung genöthigt, bei Manheim über den Rhein zu gehen, verfuhr aber hierbei so gegen seinen Vortheil u. schonte den Feind so auffallend, daß er die Liebe der Armee verlor u. die Regierung, zumal da sie eben damals von dem projectirten Verrath P-s durch den, den Bourbons untreu gewordenen Agenten Montgaillard unterrichtet worden war, sich bewogen fühlte, ihn Anfang 1796 vom Commando abzurufen. P. lebte nun, da er einen ihm angetragenen Gesandtschaftsposten nach Schweden ausschlug, im ehemaligen Kloster Bellevaux bei Arbois. 1797 wählte ihn sein Departement zum Repräsentanten, u. er wurde Präsident im Rathe der Fünfhundert, da er aber hier an die Spitze der royalistischen Partei Clichy trat, so wurde er deshalb am 4. Sept. verhaftet u. mit 20 Mitschuldigen zur Deportation nach Cayenne verurtheilt. Von hier rettete P. sich mit sieben Gefährten auf einem Kahne nach Paramaribo in Surinam, von wo er nach England kam u. sich an das österreichisch-russische Heer unter Korsakow anschloß; nach dessen Niederlage bei Zürich kehrte er nach England zurück. Durch den Capitän Wright nach Frankreich 1804 übergesetzt, knüpfte P. Verbindungen mit Moreau an, verschwor sich mit Georges Cadoudal (s.d.) gegen das Leben des Ersten Consuls Bonaparte, wurde von dem Kaufmann Leblanc verrathen u. am 28. Febr. der Proceß gegen ihn mit den übrigen Verschwornen eingeleitet. Ehe jedoch die Sache zur Entscheidung kam, fand man P. am Morgen des 6. April in seinem Gefängnisse im Tempel erwürgt. Nach der Restauration des Königthums ließen die Bourbons ihm Bildsäulen an mehren Orten errichten, welche jedoch später wieder umgestürzt wurden. Vgl. Montgaillard, Mémoire concernant la trahison de P. dans les années III, IV et V. Par. 1804.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 118.
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