Tropenwald

[746] Tropenwald (hierzu Tafel »Tropenwald«), die zu beiden Seiten des Äquators bis etwa zu den Wendekreisen sich ausdehnende formenreiche Waldformation. Überall, wo die Niederschläge periodisch zur Zeit des Zenitstandes der Sonne erfolgen, entwickeln die Bäume ihr Laub bei Eintritt der Regenzeit und stehen zur Zeit der Dürre, die als Vegetationsruheperiode unserm nordischen Winter entspricht, entblättert da. Derartige regengrüne Tropenwälder überwiegen in Afrika, sind aber auch in Indien von mächtiger Ausdehnung und gehen in Brasilien (Katingawälder) weit in das Innere des Landes. Ihnen stehen die tropischen, immergrünen Regenwälder gegenüber, in denen die Vegetation durch keine Trockenperiode unterbrochen wird. An den tropischen Küsten entfalten sich als eigenartige Vegetationsformation die Mangrovewälder (s. Tafel »Strandpflanzen«); durch Anpassung an ihren Standort haben sie zum Teil eine eigenartige Form der Aussäung angenommen (s. Lebendiggebärende Pflanzen).

Ein wesentlicher, den T. von den Wäldern gemäßigter Klimate unterscheidender Charakterzug besteht in der viel mannigfaltigern Übereinanderschichtung von Pflanzenverbänden mit verschiedenartigen biologischen Ansprüchen. Das oberste Stockwerk bilden in der Regel schlanke, hochstämmige Bäume (Tafel, Fig. 1) bis zu 40–50 m Höhe, unter denen eine zweite, niedrigere Etage von Palmen (Fig. 4, 5, 14 u. 15), Baumfarnen (Fig. 11 u. 12), Morazeen, wie Cecropia (Fig. 13), Karikazeen (Fig. 17) oder auch von strauch artigen Piperazeen, Myrsinazeen, Rubiazeen u. a. hergestellt wird. Dazwischen sind mächtige Krautstämme von Arazeen (Fig. 10, 20, 21 u. 23), Scitamineen, Liliazeen (Fig. 22 u. 27), Begoniazeen (Fig. 9) u. a. eingestreut. Tiefer liegende, weniger Licht empfangende Stellen werden von Farnen, Selaginellen und andern Schattenpflanzen eingenommen. Oft tritt auch nur von schwarzem Humus gebildeter, vegetationsarmer Boden auf, auf dem sich Saprophyten, wie Burmanniazeen, oder Wurzelparasiten, wie Balanophorazeen und Rafflesiazeen, ansiedeln (s. Schmarotzerpflanzen). Zahlreiche Epiphyten, wie besonders Orchideen (Fig. 6, 7, 8, 19, 25 u. 26), Bromeliazeen, wie die flechtenähnliche Tillandsia (Fig. 28), auch Farne, wie Nephrodium (Fig. 24), Arazeen, wie Monstera (Fig. 2), u. a., bedecken die Baumstämme und Zweige. In sehr feuchten Wäldern zeigen auch die Laubblätter von längerer Lebensdauer einen Überzug von Lebermoosen und Flechten. Holzige Überpflanzen, wie Arten von Ficus (Fig. 18), sind ebenfalls in regenreichen Urwäldern zahlreich. Zwischen dem Boden und den Baumwipfeln spannen sich die sonderbar gedrehten, tauartigen Stämme von Lianen, wie Passiflora (Fig. 3), Bauhinia (Fig. 16), aus. Auffallend groß ist der Reichtum des Tropenwaldes an Baumarten; so wachsen z. B. in der Umgebung von Lagoa Santa in Brasilien auf einer Fläche von etwa 150 qkm ca. 400 verschiedene Holzgewächse. Ein wesentlich andres Bild als der feuchtheiße T. geben die Übergangsgebiete zwischen Wald und Grasland im tropischen Afrika, z. B. am Kongo, die Pechuel-Loesche als Kampine bezeichnet. Auch die größern Flußläufe der tropischen Grassteppen (Savannen) werden von einem ihnen parallel laufenden Gürtel von Ufergehölzen (Galeriewälder) begleitet. Ihr Auftreten ist an das Vorhandensein von Grundwasser gebunden, dessen Verbreitungszone auch die Breite des Waldgürtels bestimmt. In tief eingeschnittenen Flußtälern kann sich nur ein schmaler Waldstreifen entwickeln, der an der steilen Uferkante sogleich wieder in Steppenland übergeht, während an flachern Ufern breitere Waldmassen sich oasenartig ausbreiten. Vgl. Appun, Unter den Tropen (Jena 1876); Brandis, Forest Flora of Northwest and Central India (Lond. 1874); Kurtz, Forest Flora of British Burma (Kalkutta 1877); Wallace, Tropical nature (Lond. 1878); Haberlandt, Eine botanische Tropenreise. Indomalaiische Vegetationsbilder (Leipz. 1893); Detmer, Botanische Wanderungen in Brasilien (das. 1897). Vgl. auch die Artikel »Lianen, Epiphyten, Schmarotzerpflanzen«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 746.
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