Gallipŏli

[881] Gallipŏli, 1) Seestadt u. schwache Festung in der neapolitanischen Provinz Terra di Otranto, auf einer Insel im Meerbusen von Tarent; hat eine Vorstadt auf dem Festlande, mit dem es durch eine Brücke verbunden ist, Kastell, Bischof, geistliches Seminar, Klöster, Handelshafen mit gefährlichem Eingange, Baumwoll- u. Wollweberei, Ausfuhr von Öl (Gallipoliöl, Baumöl zu Speisen u. bes. in England zu Baumwollen- u. Wollmanufacturen; das beste Pugliaöl), Baumwolle u. Südfrüchten; 8500 Ew. – G. hieß bei den Griechen ihrer schönen Lage wegen Kallipolis, die Römer nannten es Anxa; es war eine Anlage der Griechen, nach And. der Senonischen Gallier (daher sie Plinius auch Gallipolis nannte). G. wurde früh Bischofstadt. 2) Liwa im türkischen Ejalet Edreneh (s.d.) u. zwar die südliche Spitze desselben, die Halbinsel G. an der Straße der Dardanellen nebst dem Küstenstrich über den Busen von Saros u. den von Enos hinaus bis gegen das Cap Maronia: 3) Halbinsel darin, sonst Thracischer Chersones; gegen Osten von der Dardanellenstraße begrenzt, bildet die Landzunge mit dem Festlande den Meerbusen von Saros; der Boden ist meist kalkig u. unfruchtbar; das Gebirge Takir-Dagh durchzieht die Halbinsel, welche etwa 10 Meilen lang ist u. auch einige kleine Flüßchen hat. 4) (türkisch Galipoli), die bedeutendste Stadt am Hellespont, im türkischen Ejalet Edreneh, Sitz eines Kaimakams u. griechischen Bischofs, hat viele Moscheen, Springbrunnen, sowie Ruinen u. Denkmäler aus der römischen u. byzantinischen Zeit, zwei Häfen, von denen der eine Kriegshafen, ausgedehnten Handel; 30,000 Einw., Türken, Griechen, Armenier u. Juden. – G. hieß bei den Griechen Kallipolis u. war erst unter den späteren macedonischen Königen gebaut, wurde früh zum Bischofssitz erhoben u. von den byzantinischen Kaisern befestigt. Die Stadt war höchst wichtig als Schlüssel des Hellespont u. als Stapelplatz des griechischen u. italienischen Handels. Hier setzte 1189 Friedrich Barbarossa mit seinem Kreuzheere über den Hellespont. Nach der Eroberung Constantinopels durch die Lateiner 1204 kam G. unter die Herrschaft der Venetianer. 1306 setzten sich hier unter Roger Flor die Catalonier fest u. ermordeten nach ihres Anführers Tode fast alle Bürger; lange Zeit vergeblich von dem Kaiser u. den Genuesen belagert, zogen sie 1307 ab, nachdem sie selbst die Werke zerstört hatten. 1356 von den Türken erobert, war G. die erste Stadt, welche dieselben in Europa besetzten. Von diesen wurde G. wieder befestigt, 1391 von Bajazet noch mehr verstärkt u. mit einem Hafen[881] versehen. 29. Mai 1416 Seesieg der Venetianer unter Peter Loredano über die Türken. Als nach Muhameds I. Tode 1421 Mustapha den Thron einnehmen wollte, bemächtigte er sich G-s; allein Murad II. eroberte G. u. ließ den Usurpator daselbst hängen. Im Orientalischen Kriege 1854–55 landeten bei G. die französischen Hülfstruppen u. hielten die Stadt während des Krieges besetzt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 881-882.
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