Lemberg [1]

[263] Lemberg (polnisch Lwow), 1) (Ostgalizien), seit 1854 eines der beiden Verwaltungsgebiete des österreichischen Königreichs Galizien, 1004, 59 QM; grenzt im Norden an Polen u. Rußland, im Osten an Rußland, im Südosten an die Moldau, im Süden an die Bukowina u. Ungarn, im Westen an das galizische Verwaltungsgebiet Krakau; es zerfällt in die 12 Kreise: Lemberg, Przemysl, Sanok, Sambor, Stry, Brzezan, Zolkiew, Stanislowow, Kolomea, Zloczow, Tarnopol u. Czortkow, welche wiederum in 110 Bezirksämter getheilt werden; Gesammtbevölkerung (im Jahre 1857): 3,921,900 Ew.; 2) Kreis darin, 38,03 QM., 196,600 Ew. in 4 Städten, 2 Marktflecken u. 173 Dörfern; 3) Haupt- u. Kreisstadt darin, am Peltew; Sitz der Provinzial-, Regierungs- u. Bezirksbehörden, eines katholischen u. eines unirten griechischen Bischofs, armenischen Erzbischofs, eines lutherischen Generalsuperintendenten, eines reformirten Seniorats, eines Landrabbiners, des Militärobercommandos, des Oberlandgerichts für Galizien u. die Bukowina, Handelsgerichts, Oberpost- u. Bücherrevisionsamts; die sonstigen Festungswerke sind geebnet u. in Promenaden verwandelt. L. hat Kathedrale (von Kasimir dem Großen 1370 erbaut), 2 Domkirchen (der unirten Griechen u. der Armenier), 18 andere Kirchen (in der Dominicanerkirche, welche nach dem Muster der Peterskirche in Rom erbaut ist, befindet sich im Hochaltar ein nach der Sage vom heiligen Lucas gemaltes Marienbild), 1 lutherisches Bethaus, walachische Kirche, 9 Klöster (darunter ein armenisches Frauenkloster), 3 Synagogen, neues Rathhaus, 2 Schlösser, Kranken- u. Irren-, Siech-, Armen-, Correctionshaus, Militärhospital, Krankenanstalt der Barmherzigen Schwestern, Universität (Alma Franciscea), 1784 gestiftet, 1817 erneuert, mit 1 Rector, 5 Directoren, 4 Senioren, 26 Professoren, gegen 1000 Studenten, Bibliothek, Technische Akademie, 2 Gymnasien, Ökonomisch-praktische Schule, Real- u. Normalhauptschule, große Kasernen, Militärschwimmschule, Taubstummeninstitut, Literarisches Nationalinstitut mit theologisch-philosophischer Lehranstalt für den Regularclerus, adelige Erziehungsanstalt; öffentliche (vom Grafen Ossolinsky gestiftete) Bibliothek (58,000 Bände, größtentheils slawische Geschichte u. Literatur betreffend, 1200 Handschriften), Münzsammlung (150,000 Münzen u. Medaillen) u. Sammlungen von Gemälden, Kupferstichen, Alterthümern etc., mehre andere katholische, griechische u. protestantische Schulen u. 2 geistliche Seminarien, Galizischer Musikverein mit Musikschule; viele Wohlthätigkeitsanstalten, worunter sich bes. die gräflich Skarbeksche Anstalt, für 400 Arme u. 500 Waisen, u. 4 Spitäler auszeichnen; Theater, vom Grafen Skarbek auf seine Kosten erbaut. L. hat Tuch- u. Leinwebereien, man fertigt Rosoglio, Porter, Band, Tischlerwaaren, musikalische Instrumente. Von Buchdruckereien finden sich hier 2 deutsche, 1 russische, 1 jüdische. L. ist nach Brody der Haupthandelsplatz Galiziens; hier ist zur Zeit der Contracte, vom Januar bis Fastnacht, Hauptzusammenfluß des galizischen Adels (Dreikönigsmesse); 75,006 Ew., darunter mehr als 20,000 Juden. L. ist durch die Galizische Eisenbahn mit Krakau verbunden. In der Nähe der Sandberg mit Trümmern der alten Löwenburg; ferner die Mineralquelle det Eisenbründel mit Bad, das Sophienwäldchen; nördlich von L. liegt die Ebene von Quiesienie, wo König Johann III. über die Türken siegte; westlich die Schwefelquellen Szklo u. Lubien mit Bad – L. wurde von dem Großfürsten Leo von Galizien um 1280 gegründet auf den Trümmern eines von seinem Vater bereits gegründeten Städtchens, welches dieser aber auf Befehl des Tatarenkhans Burondai hatte schleifen müssen. 1340 wurde L. von Kasimir II. eingenommen; von den Ungarn, denen es König Ludwig gegeben, kam es durch dessen Tochter Hedwig 1390 wieder an Polen. Nach dem Anfang des 15. Jahrh. wurde das Erzstift gegründet (nach And. schon von Kasimir II.); 1648 wurde L. von den Russen unter Chilneck 21/2(Monate belagert, 1704 von den Schweden eingenommen; es kam 1773 mit Galizien an Österreich; 1784 wurde die Universität gestiftet; den 30. Aug 1805 wurde die Stadt von den Russen unter Kutusow, den 24. Mai 1809 wieder von den Polen besetzt, im Frieden von Wien erhielt sie Österreich. Am 1. Nov. 1848 blutige Reibungen zwischen der Nationalgarde u. Militär.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 263.
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