Stengel [1]

[759] Stengel (Stamm, Oberstock, Caulis, Truncus, Cormus, Caudex adscendens), im weitesten Sinneder Theil einer Pflanze, welcher von der Wurzel an in die Höhe steigt u. über der Erde Äste, Zweige, Blätter, Blüthen, Früchte trägt. Er findet sich nicht bei allen Pflanzen u. die, welchen er fehlt, heißen stengellos (acaules). Zwischen ihm u. der Wurzel findet sich oft ein mehr od. minder ausgebildeter Zwischentheil: der Mittelstock (Zwiebel, Knolle, Wurzelstock, Rhizoma. I. Man unterscheidet mehre Arten des S-s: A) Stamm im engern Sinne (Truncus) bei Bäumen u. Sträuchern, ausdauernd, holzartig; a) baumartig (arboreus), unten dicker, meist ohne Äste, oben durch Vertheilung in Äste eine Krone bildend; b) strauchartig (fruticosus), von unten auf ästig. B) Stock (Strunk, Stipes), der Stamm der Palmen, der Farrenkräuter, der Stiel der Pilze. C) Halm (Culmus), ist der S. der Grasarten, meist hohl od. mit saftigem, markartigem Safte ausgefüllt, gegliedert, an den Gelenken meist knotig, von den Blattscheiben umgeben. D) Binsenhalm (Calamus), dem vorigen sehr ähnlich, auch oft unter jenem befaßt, aber nicht knotig, nicht hohl, sondern mit Mark ausgefüllt, bisweilen eckig, oft frei von Blättern, dann auch Schaft genannt. E) Schaft (Scapus), knotenlos, meist fleischig, keine Blätter, sondern nur Blüthen tragend, bei Zwiebelgewächsen, auch bei Primula, Plantago u. m. a. F) Schwimmschaft (Hydrocormus), bei Wasserpflanzen, horizontal auf dem Wasser schwimmend, mit Blättern versehen, meist dicht, selten etwas röhrig. G) Der S. im engern Sinne (Caulis), jeder nicht unter die genannten Arten zu rechnende saftige S. der Pflanzen, welcher Blätter u. Blumen trägt. Über den S. der Moose, Pilze u. Farrnkräuter s. Kryptogamen II. Je nach der Dauer des S-s unterscheidet man: A) Bäume u. Sträucher (♄), mit einem unbestimmte Reihe von Jahren fortvegetirenden holzigen S.; B) Halbsträucher (Suffrutices), nur unten holzig, oben krautartig, weich u. daher in ihrem obern Theile alljährlich im Herbste absterbend; C) Sommergewächse (einjährige Pflanzen Stengel [1], Plantae annuae), deren S. jährlich, nachdem sie einmal Früchte getragen, nebst der Wurzel absterben; D) zweijährige Pflanzen (Pl. biennes [♂]), welche erst im zweiten Jahre ihre Vollendung erreichen, Früchte tragen, dann absterben; E) ausdauernde (perennirende, Staudengewächse, Pl. perennes [♃]), deren S. alljährlich absterben, während die Wurzel lebend bleibt u. im nächsten Jahr neue S. treibt. III. Im Allgemeinen kann ein S. sein: A) hinsichtlich seiner Substanz: krautartig (herbaceus), weich, leicht zu schneiden; holzig (lignosus), aus dicht verbundenen festen Fasern; faserig (fibrosus), aus festen, zähen, aber leicht von einander zu trennenden Fasern bestehend; fleischig (carnosus), fest u. saftig, etwa wie das Fleisch eines Apfels; saftig (succulentus), mehr flüssige als feste Theile enthaltend; fest (solidus), durchaus von gleicher fester Substanz; schwammig (spongiosus), aus elastischem Marke bestehend, daher leicht zusammendrückbar u. Wasser einsaugend; markig (medullosus), mit Mark ausgefüllt; locker (inanis), mit lockerem Mark nicht vollständig ausgefüllt; voll (farctus), dicht mit Mark ausgefüllt; hohl, röhrig (fistulosus), ohne Mark, eine Röhre bildend; fächerig (loculamentosus), wenn der hohle od. markige innere Raum durch Häute in der Quere abgetheilt ist; spröde, steif (rigidus),[759] schwank, schlaff (laxus), zerbrechlich fragilis), zähe (tenax). B) Hinsichtlich seines Standortes: schmarotzend (parasiticus), auf andern Gewächsen sitzend u. aus diesen seine Nahrung ziehend; schwimmend (natans), auf der Oberfläche des Wassers liegend; untergetaucht (submersus), unter dieselbe versenkt; fluthend (fluitans), im Grunde des Wassers fest gewachsen. C) Hinsichtlich seiner Gestalt: a) im Allgemeinen: schlank (gracilis), im Verhältniß zur Dicke ziemlich lang, jedoch sich aufrecht erhaltend; schwach (debilis), ohne Stütze sich aufrecht erhaltend; steif (rigidus, strictus), gerade, meist senkrecht, u. obgleich schlank, doch sich nicht beugend; biegsam (flexibilis), gerade, ohne zu brechen leicht hin u. her zu biegen; rebenartig (sarmentosus), kletternd od. kriechend u. holzig; seilförmig (funicularis), walzenförmig, dünn, langgestreckt; fadenförmig (filiformis), von der Stärke eines dünnen Bindfadens, lang, überall gleich dick; haarförmig (capillaris), von der Stärke eines Haars; borstenförmig (setaceus), dünn, biegsam, nach oben dünner zulaufend, meist kurz; gegliedert (articulatus), in der Quere durch Einkerbungen abgetheilt, gleichsam aus gleichen Stücken zusammengesetzt; gelenkig, knieförmig (geniculatus), gegliedert, mit an einem Ende dickeren Gliedern, od. auch blos mit, weder eingezogenen, noch angeschwollenen Gelenken versehen; knotig (nodosus), wenn die Glieder durch hervorstehende Knoten unterschieden sind, od. wenn hervorstehende Knoten ohne Theilung vorhanden sind. b) In Berücksichtigung seines Querdurchschnittes: rund, walzenförmig (teres, cylindricus), mit ganz rundem Querdurchschnitt; halbrund, halbwalzenförmig (semiteres, semicylindricus), auf einer Seite. flach, auf der andern rund; rinnenförmig (canaliculatus), auf einer Seite der Länge nach rinnenförmig vertieft; zusammengedrückt (compressus), von beiden Seiten zusammengedrückt, mit stumpfen Ecken; zweischneidig (anceps), ebenso, mit zwei scharfen Ecken; blattartig, häutig (membranaceus), ebenso, sehr dünn; eckig (angulatus, angulosus), mit mehren Ecken u. vertieften, dazwischen liegenden Flächen, u. dann c) nach der Beschaffenheit der Ecken: scharf- (acute-) u. stumpfeckig (obtuse angulatus), nach der Zahl der Ecken, drei-, vier-, vieleckig (tri-, quadr-, mult- angularis). Sind die Ecken stumpf u. die Flächen eben, so heißt er drei-, vier-, fünfseitig (tri-, tetra-, pentagonus); bei ebenen Flächen u. scharfen Ecken: drei-, vierkantig (tri-, quadriqueter); bei stumpfen Ecken u. convexen Flächen; drei-, vier- etc. winkelig (tri-, quadrangulatus); geflügelt (alatus), wenn die Ecken in häutige Ansätze auslaufen; gestreift (striatus), mit vielen kleinen, einander naheliegenden, vertieften Längsstreifen; gerippt (costatus), mit erhabenen Längsstreifen. D) Hinsichtlich seiner Oberfläche u. Bekleidung: nackt (nudus), ohne Blätter, Schuppen od. sonstige Nebenpflanzentheile; blattlos (aphyllus), ohne Blätter; schuppig (squamosus), mit Schuppen bedeckt; dachziegelförmig, engschuppig (imbricatus), mit häufigen, wie Dachziegel auf einanderliegenden Schuppen; blätterig (foliosus, foliatus), Blätter tragend; gekrönt (coronatus), an der Spitze einen Blätterbüschel tragend; sparrig (squarrosus), mit steifen, anliegenden u. an der Spitze zurückgebogenen Blättern besetzt; durchwachsen (perfoliatus), mitten durch ein Blatt gehend; scheidig (vaginatus), in Zwischenräumen von blättrigen Scheiden umschlossen; afterblättrig (stipulatus), mit Afterblättern versehen; narbig (cicatriceus, cicatrisatus), mit Überbleibseln od. Spuren abgefallener Blätter, od. gegliederter Zweige besetzt; rankig (cirrhosus), mit Ranken u. Gabeln, wie z.B. der Wein; zwiebeltragend (bulbiferus), kleine Zwiebeln tragend, aus denen neue Pflanzen entstehen, z.B. die Feuerlilie; klebrig (viscosus), mit einer klebrigen Feuchtigkeit überzogen; glatt (glaber), ohne Haare u. Borsten; eben (laevis), ohne Erhöhungen u. Vertiefungen; geglättet (laevigatus), fast glänzend; glänzend (lucidus), wie mit einem Firniß überzogen; bestäubt (pulverulentus), mit einem der Pflanze eigenthümlichen Staube bedeckt; bereist (glaucus, pruinosus), wenn dieser Staub graulich od. weißlichgrün ist; rauh (scaber, asper), voll kleiner, rauher erhabener Punkte; weichhaarig (pubescens), dicht mit seinen weichen Haaren bedeckt; sammetartig (velutinus, holosericeus), wenn dieser Überzug dicker u. weicher, mit emporstehenden Härchen, ist; haarig (pilosus), mit einzelnen, langen, weichen Haaren besetzt; zottig (villosus), wenn diese Haare sehr lang, weich u. zahlreich; seidenartig (sericeus), wenn dieselben glänzend, kurz, dicht anliegend, weich; wollig (lanatus), wenn sie zahlreich, lang, weich, untereinander verwirrt; filzig (tomentosus), wenn die einzelnen wegen Verfilzung nicht zu unterscheiden sind; flockig (floccosus), wenn sie verwirrt sind u. in einzelnen Büscheln stehen; borstig (hispidus, hirtus, hirsutus), mit kurzen, steifen Haaren; striegelig (strigosus), mit dicht anliegenden Borsten; spinnenwebig (arachnoideus), wie von Spinnen übersponnen; warzig (verrucosus), mit kleinen schwieligen Erhöhungen; höckerig (tuberculatus), mit kleinen schwammigen Erhabenheiten; korkig (suberosus), mit korkiger Rinde versehen; rissig (rimosus), wenn in der Rinde längslaufende Risse befindlich; rimulosus, wenn diese Risse sehr sein sind; unbewehrt (inermis), ohne Dornen; dornig (spinosus), mit Dornen; stachelig (aculeatus), mit Stacheln versehen; gefärbt (coloratus), von anderer Farbe als grün; gefleckt (maculatus) u. punktirt (punctatus). E) Hinsichtlich seiner Zertheilung kann ein S. sein: einzeln (solitarius), wenn aus der Wurzel nur ein S.; vielfach (multiplex), wenn mehre aus derselben hervorgehen; rasenförmig (caespitosus), wenn aus der Vereinigung mehrer kurzer beblätterter S. ein Rasen entsteht; vollkommen einfach (simplicissimus), ohne alle Äste; einfach (simplex), mit sehr wenigen Ästen; ganz (integer), mit wenigen, einfachen, dicht beisammenstehenden Ästen; etwas ästig (subramosus), mit etwas mehr getheilten Ästen; ästig (ramosus), in mehre Äste überall getheilt; sehr ästig (ramosissimus), wenn alle Aste wieder in viele Nebenäste u. Zweige getheilt sind; verschwindend (decompositus, deliquescens), durch Zertheilung in Äste vom Grunde auf gleichsam verschwindend; gestützt (suffultus), wenn von den Ästen Ranken herabgehen, welche in der Erde wurzeln; aushaltend, ganz (continuus), bis zum Gipfel, ohne sich zu zertheilen, die Hauptachse bildend, u. nur seitliche Äste kreisförmig abgebend (wie bei der Tanne); sprossend, quirlförmig (prolifer, verticillatus), mit vorigem ziemlich gleichbedeutend; armförmig (brachiatus), mit kreuzweise stehenden Ästen; zweitheilig od. gabelförmig[760] (dichotomus), bis in die kleinsten Aste sich stets nur in zwei Theile spaltend; dreitheilig (trichotomus), auf gleiche Weise sich stets in drei Theile spaltend; auslaufend (stolonifer), aus seinen untersten Theilen seitliche Wurzelsprossen aussendend. F) Hinsichtlich seiner Richtung u. Lage ist der S.: gerade, aufrecht (rectus, erectus), ziemlich senkrecht; senkrecht (strictus), völlig senkrecht, ohne alle Biegung stehend; schief (obliquns), in einer schrägen Linie aus der Wurzel aufsteigend; aufsteigend (ascendens, assurgens), mit dem untern Theile an der Erde liegend, mit dem obern senkrecht emporsteigend; spiralförmig (spiralis), in einer Schneckenlinie sich krümmend; gekniet (geniculatus, flexuosus), knieartig gebogen; hin- u. hergebogen (tortuosus, contortus), in verschiedenen Richtungen unregelmäßig sich biegend; klimmend (scandens), dünn u. schwach, an andern Gegenständen, mittelst Ranken, getrümmte Blattstiele od. die eigenen Windungen sich anhaltend u. emporsteigend; wurzelnd (radicans), wenn dieses Festhalten durch kleine Wurzeln, wie beim Epheu; klammernd (alligatus), wenn es durch eigene Saugwarzen (cuscuta); windend (volubilis), sich schneckenförmig um einen Gegenstand herumschlingend u. so emporsteigend; dies geschieht entweder nach rechts (dextrorsum volubilis [☾]), od. nach links (sinistrorsum volubilis [☽]). Der S. ist ferner: niedergebogen (declinatus, inclinatus), wenn er schräg aufwärts steigend, sich in einen flachen, mit der Convexität nach oben gerichteten Bogen abwärts beugt; rückwärtsgeneigt. zurückgebogen (reclinatus), gerade aufsteigend u. dann mit einem Mal von oben sich niederbeugend; überhängend (nutans, cernuus), mit dem Gipfel sich mehr od. weniger zur Erde neigend; gekrümmt (curvatus, arcuatus), eine mehr od. weniger merkliche Krümmung zeigend; gestreckt, liegend (procumbens, humifusus, prostratus), ganz horizontal auf dem Boden liegend, ohne jedoch Wurzel zu schlagen; niederliegend, niederfallend (decumbens, procumbens), von der Wurzel aus etwas aufrecht, dann zu Boden gestreckt; schleichend (reptans), am Boden hinkriechend ohne Wurzel zu schlagen; kriechend (repens), niederliegend, an mehren Stellen ohne Ordnung anwurzelnd; rankig (sarmentosus), nur in bestimmten Zwischenräumen Wurzeln treibend.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 759-761.
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