Tancred

[228] Tancred, 1) T. von Hauteville, Normanne, zog mit seinen 12 Söhnen zur See auf Abenteuer aus, segelte durch die Meerenge von Gibraltar, landete in Apulien u. kämpfte um 1036 als Söldner der Griechen gegen die Sarazenen u. bekam Apulien zum Lehn. Bald machte er sich von seinem Lehnsherrn, dem griechischen Kaiser, unabhängig u. theilte seinen Besitz unter seine 12 Söhne in 12 Grafschaften. Er starb um 1041 u. ist Stammvater der Grafen u. Herzöge von Apulien u. Könige von Neapel. 2) T., Sicilianer, Sohn Otto's des Guten u. Emma's, der Tochter des Vor.; begleitete 1096 seinen Vetter Bohemund von Tarent nach Palästina, landete aber mit ihm in Epirus u. unternahm dort mehre Plünderungszüge. Als Bohemund sich dem griechischen Kaiser Alexis Unterwarf, verließ er das Heer u. ging allein nach Palästina, wo er sich der Belagerung von Nikäa anschloß, nach dessen Falle er mit Bohemund zum Kaiser Alexis ging; allein bald veruneinigte er sich mit diesem u. verließ ihn wieder. Auf dem Zuge gegen Antiochien verlor er in einer Schlacht gegen die Türken sein Panier u. machte dann während der Belagerung dieser Stadt einen Streifzug nach Cilicien, wo er Tarsus u. Membresia belagerte, jedoch mit Balduin, Bruder Gottfrieds von Bouillon, in Streit gerieth; er zeichnete sich hierauf vor Antiochia aus u. belagerte dann Marena. 1099 zog er mit vor Jerusalem u. erstieg die Mauern zuerst u. pflanzte sein Panier in der Moschee des Omar auf (noch jetzt führt dort ein Thurm den Namen Thurm des T.) Bei Askalon siegte er über Saladin, Sultan von Ägypten, u. erhielt dafür das Fürstenthum Tiberias. 1100 wurde er Statthalter von Antiochien u. eroberte Malmystra, Adana, Tarsos u. Laodicea. Er gab dem darauf befreiten Fürsten Bohemund sein Fürstenthum Antiochien wieder, übernahm dann für den ebenfalls gefangenen Balduin, Grafen von Edessa, den Oberbefehl u. schlug die Edessa belagernden Sarazenen. Als Bohemund, um neue Hulfsvölker zu werben, 1103 nach Europa ging, übernahm er dessen Fürstenthum, eroberte Artesia u. machte einen Einfall in Mesopotamien, verweigerte aber dem Grafen Balduin, welcher 1108 aus der Gefangenschaft befreit worden war, die Herausgabe von Edessa u. gerieth auch mit Bertrand de St. Gilles, welcher den von seinem Vater früher besessenen Theil von Antiochien zurückforderte, in Zwist. Beide Streitigkeiten vermittelte jedoch der König Balduin u. bewog T., daß er Balduin Edessa wiedergab, worauf T. 1109 Tripolis erobern half. In Antiochien wieder durch die Sarazenen angegriffen, wurde er durch die Schlacht bei Cäsarea befreit u. st. 1112. Er war mit Cäcilia, einer natürlichen Tochter des Königs Philipp von Frankreich, vermählt. T. war ein Hauptheld des ersten Kreuzzuges, daher feiert Tasso's Befreites Jerusalem ihn besonders; seine Liebe zu der Heldin Clorinde ist blos Dichtung. Vgl. Raoul von Caen, Gesta Tancredi; M. Delabarre, Hist. de Tancrède, Par. 1822. 3) T., Graf von Leccio, natürlicher Sohn des Herzogs Roger u. Enkel des Königs Roger von Sicilien; folgte 1189 auf Wilhelm den Gütigen als König von Sicilien, hielt sich gegen den Deutschen Kaiser u. st. 1194, s. Sicilien S. 9. Er war vermählt mit Sibylle von Mädaria, Tochter des Grafen Robert von Lucera. 4) Tancretus Bononiensis od. T. von Corneto, geb. w Bologna, studirte hier u. in Paris das Römische u. Canonische Recht, wurde dann als Magister decretorum Lehrer des Canonischen Rechtes in Bologna u. 1226 Archidiakonus daselbst; er st. um 1235 u. war einer der berühmtesten Canonisten des 13. Jahrh.; er schr.: Summa quaestionum; Summa de matrimonio, um 1212, herausgeg. von S. Schard, Köln 1563, von A. Wunderlich. Gott. 1841; Ordo judiciarus (Ordinarius Tancredi), um 1214, oft revidirt u. redigirt u. nach der Emendation durch Bartholomäus Bripiensis, um 1250, immer im Gebrauch geblieben; in seiner ursprünglichen Gestalt herausgeg. von Bergmann, Gött. 1842; vgl. Bergmann, De libello, quem T. B. de judiciorum ordine composuit, ebd. 1838.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 228.
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