Walachei

[641] Walachei (die), von den Türken Ak-Islak, von den Eingeborenen Zara-rumaneska, d.i. röm. Reich, genannt, ein mittelbares Fürstenthum des osman. Reichs, liegt jenseit der Donau und wird von diesem Strome südl., von Siebenbürgen und der Moldau nördl. begrenzt. Auf einem Gebiete von 1300 ! M. leben hier gegen 2 Mill. Einw., von welchen die meisten sich zur russ.-griech. Kirche bekennen und etwa 60,000 Katholiken und 50,000 Juden sind. Der Abstammung nach sind sie meist Walachen (s.d.), ein Mischvolk der alten Dacier, Mösier, Bulgaren, Griechen und Römer, welches einen mit den Sprachen dieser Völker gemengten lat. Jargon redet, außerdem Raitzen (s.d.), Armenier, Juden, Griechen und über 200,000 Zigeuner, die großentheils noch Leibeigene der Bojaren oder adeligen Gutsbesitzer sind. Die am Südostfuße der Karpaten liegenden nördl. Landestheile sind bergig, die südl. eben und sumpfig; zahlreiche vom Gebirge kommende Gewässer fließen durch das Land der Donau zu und die Aluta oder Alt mit dem Grenzflusse Sereth gegen die Moldau, gehören zu den wichtigsten derselben. Getreide, Mais, Hirse, Wein in Menge, Obst, Holz, Theer und Pottasche, bei den unabsehbaren Weideplätzen alle Producte der mannichfaltigen Viehzucht in reichem Maße, ferner Steinsalz, etwas Waschgold, sind die wesentlichsten Landeserzeugnisse, für welche die Donauschiffahrt eine bequeme Ausfuhr im Großen vermittelt, daher auch der Handel fortwährend an Bedeutung gewinnt, welcher zugleich ein wichtiger Transitohandel mit Waaren aus dem östl. Europa ist. In den Gebirgswäldern sind unter anderm Wild auch Bären und Wölfe nicht selten, daher den Bergbewohnern, welche Panduren genannt werden, das Tragen von Waffen erlaubt ist. Wäre die Bevölkerung nicht in grenzenlose Roheit versanken und der Völlerei und Trägheit so sehr ergeben, so würden diese Gegenden längst zu den gesegnetsten von Europa gehören. Freilich haben auch ungünstige Verhältnisse das wesentlich verhindert. Zur Zeit der röm. Herrschaft machte die W. einen Theil von Dacien aus, hatte nachher fortwährend von den Verheerungen der von O. und N. her vordringenden Völker zu leiden und bekam im 12. und 13. Jahrh. von den byzantin. Kaisern abhängige Fürsten (Woiwoden), welche später diese Abhängigkeit abwarfen, sich bald an Polen, bald an Ungarn anschlossen oder sich dazu genöthigt sahen, und im 15. Jahrh. den Osmanen zinsbar wurden. Mit diesen kam jedoch eine Übereinkunft zu Stande, kraft welcher die W. ihre einheimischen Fürsten, ihre Verfassung und Religion behielt und von den Türken nicht betreten werden sollte, die nur einige Plätze an der Donau besetzten. Diese Übereinkunft ward aber oft verletzt, das Land war häufig der Kriegsschauplatz zwischen den Osmanen, Ungarn und Polen (später auch den Russen), und nachdem 1714 der letzte gewählte Woiwode Brankowan mit seinen vier Kindern in Konstantinopel hingerichtet worden war, gelang es 1716 dem griech. Pfortendolmetscher Nikol. Maurokordatos sich von der Pforte zum Fürstenstatthalter oder Hospodar der W. ernennen zu lassen. Er war der erste Grieche, welcher diese durch Bedrückung einträgliche, durch aufzuwendende Bestechung der türk. Großen aber auch kostbar zu erwerbende und zugleich gefährliche Würde bekleidete, in welcher die Pforte selten einen Hospodar länger als sechs Jahre ließ und die aus Argwohn oder Habsucht der Sultane vielen das Leben kostete. Der Wunsch, die Einkünfte zu ihrem Besten zu erhöhen, machte indeß, daß unter den griech. Hospodaren mancherlei nützliche Umgestaltungen zu Stande kamen; denn gegen den jährlichen Tribut von 300,000 Löwenthalern und gewisse Geschenke war ihnen das ganze Einkommen überlassen. Seit dem im J. 1821 in der W. und Moldau zuerst ausgebrochenen griech. Aufstande erhielt jedoch die W. 1822 von der Pforte in dem Bojaren Gregor Ghika, gest. 1834, wieder einen einheimischen Fürsten und ward von der hineingelegten türk. Besatzung wieder geräumt. Ein dauernd vortheilhafter Zustand trat jedoch erst ins Leben, nachdem im russ.-türk. Kriege von 1828–29 auch die W. von den Russen besetzt, Verwaltung und Verfassung neu geordnet und im Frieden von Adrianopel wirksamer als zeither unter die schon 1774 im Frieden von Kutschuk Kainardschik anerkannte und später bestätigte russ. Schutzhoheit gestellt wurde. Von neuem hatte das Land alle Lasten des Kriegs ertragen müssen, wurde erst 1834 von den Russen geräumt und erhielt in Alexander Ghika einen neuen Hospodar, welche Würde nun auf Lebenszeit vergeben wird. Er ist ausnahmsweise von Rußland und der Pforte ernannt worden, denn der Verfassung zufolge soll ihn die Versammlung der Bojaren, Bischöfe, städtischen und Districtsabgeordneten wählen. Seine Regierung wird von einer Nationalversammlung controlirt, welche aus dem Metropoliten und zwei Diöcesanbischöfen, 20 erwählten Bojaren, 18 Districtsabgeordneten und den Repräsentanten der Stadt Krajowa besteht. Im Allgemeinen wird jedoch Alles vom russ. Einflusse und dem in der W. anwesenden russ. Consul geleitet.

Die W. wird durch den Fluß Aluta in zwei ungleiche Theile geschieden, deren östl. die eigentliche W. ist und wo in einer weiten Ebene an der Dumbowitza die Hauptstadt Bukarescht (d.i. Freudenstadt) mit etwa 50,000 Einw. liegt. Sie ist Residenz des Hospodars und des Metropoliten, der Sitz eines griech. Lyceums und verschiedenartiger, höherer Bildungsanstalten, treibt einen beträchtlichen Handel und nimmt sich ihrer zahlreichen Klöster und Kirchen wegen, die alle mit mehren Thürmen prangen, von weitem stattlich aus. Allein in der Nähe vernichten die schmuzigen und zum Theil engen Gassen, welche schlecht oder gar nicht gepflastert oder nur mit Bohlen belegt in bunter Reihe mit Hütten und ansehnlichen, steinernen Häusern eingefaßt sind, diesen Eindruck Es gibt hier viel deutsche Handwerker, und seit einigen Jahren besteht eine lutherische Gemeinde. Am 28. Mai 1812 wurde hier ein Friede zwischen Rußland und der Pforte geschlossen. Sehr im Aufblühen begriffen ist die am Einflusse des Sereth in die Donau gelegene, ehemalige Festung Braïlow mit 10,000 Einw., wichtigem Handel und einem schon jetzt sehr lebhaften Donauhafen. Viele Ausländer haben sich in diesem gleichsam [641] neu entstandenen Platze niedergelassen, der 1829 nach der Eroberung durch die Russen und der Schleifung seiner Werke keine 500 Einw. mehr besaß. Fokschan am Milkow hat 10,000 Einw.; bei Waleni und Kimpina sind Salzwerke. – Der westl. Theil oder die kleine W., auch das Banat Krajowa geheißen, enthält den Hauptort Krajowa am Schiul mit 8000 Einw. und ansehnlichen Salzwerken, die auch zu Ocna-Mare sich befinden. In der Nähe der Grenze ist Demirkapu oder das eiserne Thor zu bemerken, wo die Donau zwischen Felsen so eingeengt und so voller Risse ist, daß eine gefährliche Stromschnelle entsteht. Bei Rimnik an der Aluta liegt das Kloster Dragesthan, wo die empörten Griechen 1821 eine wichtige Niederlage erlitten. Auf den Dörfern bestehen die gewöhnlichen Wohnungen aus Lehmhütten oder einem nur mit Lehm oder Thon beworfenen Flechtwerke.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 641-642.
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