Wurst

[758] Wurst wird im Allgemeinen ein langer, rundlicher und biegsamer, oft zusammengedrehter Körper genannt; sodann führt eine bekannte Speise diesen Namen, welche am gewöhnlichsten [758] aus abgekochtem Fleisch, Blut, Leber, Fett der frisch geschlachteten Schweine bereitet wird. Jene Theile werden angemessen zerkleinert und zu einer Masse gemischt, welche in die sorgfältig gereinigten und nach Wunsch in lange Stücke geschnittenen Därme der geschlachteten Thiere gefüllt wird. Hierauf werden die Würste in einem Kessel voll Wasser gesotten, wobei natürlich Fett und nahrhafte Theile auskochen, auch mitunter eine Wurst zerplatzt und ihre Füllung an das Wasser abgibt, was nachher die sogenannte Wurstsuppe darstellt. Wie Würste werden entweder frisch genossen oder zum Aufbewahren geräuchert, erhalten von der Bereitungsart und den Orten, wo besonders gute, oft weit versendete Würste gemacht werden, ihre mancherlei Namen, wie z. Braunschweiger, frankfurter, gothaer Würste. Würste sind übrigens ein altes deutsches Lieblingsessen und Hanswurst (s.d.) hat davon seinen Namen. Außerordentlich lange Würste spielten bei Festlichkeiten der Handwerker als Prunkzeichen der Metzger oder Fleischhauer oft eine Rolle. So ward in Königsberg in Preußen 1583 beim Neujahrsaufzuge der Metzger einefast 600 Ellen lange und 434 Pfund schwere Wurst von 91 Fleischergesellen mit herumgetragen. Sie hatten saubere weiße Hemden über die Kleider und dem Vordersten war der Anfang der Wurst einige Mal um den Hals gewunden, der Wurstzipfel aber hing ihm als Zopf über den Rücken hinab. Ebenso trug der Letzte das Ende der Wurst, welche zwischen Beiden nach ihrer ganzen Länge auf den Schultern der Übrigen ruhte. Bei gleicher Veranlassung traten die königsberger Fleischer 1601 mit einer 1005 Ellen langen und 885 Pfd. schweren Wurst auf. Die Fleischer zu Wien brachten bei den Festlichkeiten welche 1613 die Zusammenkunft fast aller östreich. Fürsten begleiteten, ebenfalls eine gegen 1000 Ellen lange Wurst zu Stande und in Nürnberg war zu Fastnacht 1658 eine 658 Ellen lange, in Zittau 1726 eine von 625 Ellen zu sehen. – Erst in neuerer Zeit hat man als Quelle des Übelbefindens und der Vergiftungsfälle, welche nach dem Genussegewisser verdorbener Würste eintreten, das Wurstgift kennen lernen, das in einer Säure (Thier-, Leichen-, Fett- oder Blutsäure genannt) besteht, welche sich durch Zersetzung von Blut und Fett in den Würsten bildet. Es sind gewöhnlich geräucherte Hirn-, Leber- und Blutwürste, jedoch auch frische, wenige Tage alte Blut- und Leberwürste, nach deren Genusse schädliche und selbst tödtliche Folgen beobachtel worden sind. Kenntlich sind solche schädliche Würste, wenn sie aufgeschnitten werden, an einem widerlich sauern, käseartigen Geruch und einem ganz oder theilweise schmierigen Ansehen, daher Niemand Wurst genießen darf, welche durch die angegebenen ähnlichen Merkmale verdächtig ist Bei noch geringer Verderbniß beschränkt sich diese zuweilen auf eine Stelle, und daher kommt es, daß mehre Personen, welche von einer giftigen Wurst genossen haben, einzelne tödtlich und andere wenig oder gar nicht erkranken können. Die schädlichen Folgen pflegen erst nach 12. – 24 Stunden mit Leibschmerzen, Neigung zu Ohnmachten, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, dem aber schnell hartnäckige Verstopfung folgt, einzutreten und bei leichten Wurstvergiftungen bald vorüberzugehen. In gefährlichern Fällen verlieren die Kranken die Fähigkeit, sich willkürlich zu bewegen klagen über Trockenheit in den Augen, der Nase, dem Munde, der Luftröhre, bekommen eine trockene, leichenartig kalte Haut, die Stimme wird heiser und ergeht mitunter ganz. Alle Ausleerungen sind schwierig, das Athmen schwach und oft beschwerlich und den Tod erfolgt in den unglücklichsten Fällen auf sanfte Weise innerhalb der ersten acht Tage. Überlebt der Kranke die Zeit, so ist meist sein Leben gerettet, behält aber oft noch Monate, Jahre und selbst auf Lebenszeit ein Siechthum davon zurück. Die Heilung der Wurstvergiftungen geht von Beförderung des Erbrechens aus; Milch oder schwarzer Kaffee sind zunächst zuträglich, aber stets das schleunigste Zuratheziehen des Arztes nothwendig.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 758-759.
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