Paludan-Müller

[346] Paludan-Müller, Frederik, dän. Dichter, geb. 7. Febr. 1809 in Kopenhagen, gest. daselbst 28. Dez. 1876, erregte schon als Student durch sein romantisches Schauspiel »Liebe am Hofe« (1832; deutsch, Leipz. 1871) Aufmerksamkeit und erwarb sich dann durch sein byronisierendes, durch Witz und Gedankenfülle hervorragendes Gedicht »Die Tänzerin« (1838) und durch das Drama »Amor und Psyche« (1834, 8. Aufl. 1883) als Dichter einen wohlverdienten Ruf. Die folgenden »Trochäen und Jamben« (1837) und »Poesien« (1836, Satire über das Philistertum, poetische Erzählungen, phantastische Schauspiele) enthalten vieles zur Selbstverteidigung gegen verständnislose Angriffe. Seine Vorliebe für die romantische Behandlung antiker Stoffe zeigt er in den Dichtungen »Venus« (1841), »Hochzeit der Dryade« (1844) und »Tithon« (1844). In der großen satirischen Epopöe eines Alltagsmenschen »Adam Homo« (1841–49. 3 Bde.; 10. Aufl. 1903; deutsch von Emma Klingenfeldt, Bresl. 1883) schildert er Gestalten aus der Gegenwart und zeigt, wie die edlen Eigenschaften und die Ideale des Menschen durch das Streben nach Ehre und Ansehen verkümmern. Unter der Einwirkung von Bischof Martensen, S. Kierkegaard und seiner Frau (er war seit 1830 verheiratet mit der Schriftstellerin Charite Borch) wandte sich P. der religiösspekulativen Poesie zu. Seine Verachtung der gottes verneinenden Strauß-Feuerbachschen Schule kommt zum Ausdruck in der versifizierten Apologie des Christentums »Der Luftschiffer und der Atheist« (1853) und in den Gedichten »Das Paradies«, »Der Tod Abels«, »Kain«, »Ahasverus«, »Kalanus«, »Benedikt von Nursia« (1854–62; gesammelt als »Sex Digte«, 4. Aufl. 1883). Seine Prosaerzählungen »Der Jugendborn« (1865; deutsch, Leipz. 1885), der sehr weitschichtige Sozialroman »Ivar Lykkes Geschichte« (1866 bis 1873, 3 Bde.), eine Schilderung des Lebens in Dänemark unter Friedrich VI., und das Schauspiel »Wechsel der Zeiten« (1874) stehen nicht auf der Höhe seiner Poesie, die in dem hübschen Gedicht »Adonis« (1874) ausklingt und nach wie vor die von ihm so hoch geschätzte »vita contemplativa« verherrlicht. Seine »Poetischen Schriften« erschienen zuletzt 1901 bis 1902 gesammelt in 8 Bänden. Seine Biographie schrieb F. Lange (Kopenh. 1899); eine vorzügliche Charakteristik gibt G. Brandes in den »Gesammelten[346] Schriften«, Bd. 3 (Münch. 1903). – Sein älterer Bruder, Kaspar Peter, geb. 25. Jan. 1805, gest. 1. Juni 1882, 1872 Professor der Geschichte in Kopenhagen, hat sich als Geschichtschreiber namentlich durch »Cola di Rienzi« (1838), »Macchiavelli« (1839), »Grevens Feide« (»Die Grafenfehde«, 1853–54, 2 Bde.) und »De forste Konger af den Oldenborgske Slägt« (»Die ersten Könige aus dem Oldenburger Geschlecht«, 1874) einen Namen gemacht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 346-347.
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